Das Kapital säuft
Heute in der SZ einen ganz interessanten Artikel über das Sterben des jungen Feuillitons gelesen. Von Roger Willemsen. Kann ich nicht leiden. Auch das sogenannte "junge Feuilltion" kann ich nicht besonders leiden, schon gar nicht das "Jetzt" Magazin, dass mir in seiner uneindeutigen Verschwurbeltheit und seinen völlig unpolitischen Ego Dogmen immer zu sehr am Geist der Zeit vorbei gehechtet ist. Aber so ein bißchen hat der Willemsen schon Recht, wenn er schreibt:
Ein paar Alte und in Arriviertheit Gealterte des Feuilletons verliehen darauf ihrem sublimen Behagen Ausdruck und machten die Kontaminierung des klassischen Feuilletons durch „Popliteratur“ für den Exitus verantwortlich. Ein paar Junge und in Arriviertheit jung Gebliebene schäumten zurück, verlangten dringend, der Kapitalismus möge sich nicht so kapitalistisch verhalten und die Alten nicht so alt. (...)
Der Popjournalismus erkannte, dass die vermeintliche Hochkultur gesellschaftlich längst Subkultur ist – außer im Feuilleton. Also stellte er seinen erweiterten Kulturbegriff gegen ein Feuilleton, das statt aus der Verhandlung der Letzten Fragen, aus der Reflexion, aus der sensitiven Zeit- Begleitung Stärke zu gewinnen, lieber einen exklusiven Bildungsbegriff ziselierte, der Passworte in Umlauf brachte.
Nichts ist so langweilig, wie der Feuilliton von heute. Die Resteverwertung der Vergangenheit, die mittlerweile so durchgekaut ist, dass nur noch winzige Fetzen mit der nuklearfokussierenden Sprache des Feuillitonisten exhumiert werden. Ein "Seht her, ich hab was Neues gefunden" gibt es nicht. Zumindest nicht im Feuilliton. Dass der nicht mehr gelesen wird, dass die Kulturwächter ihr Image mit dem eines Oberlehrers eingetauscht haben, ist ihre eigene Schuld. Man könnte ja mal über den eigenen Tellerrand blicken und schauen, was sich in Theater und Performance so tut. Der sinnlose Popjournalismus der vergangenen Jahre war wie eine von der Titanic erdachte Reaktion auf den Feuilliton. Ein Witz in sich selber, man dachte überhaupt nicht an einer Auseinandersetzung, ausser an die mit jenem inzestiösen Kreis der "Eingeweihten", die sich nicht nur gegenseitig lobten, sondern auch noch die Arbeit zuschoben. Das führte dann immerhin bis zu solchen komischen Büchern, wie das des Lebert Sohnes über sein Teenager-Dasein, das dann auch sofort von allen Kollegen des Vaters hübsch gelobt und in die Bestsellerlisten geschoben wurde. Gut, man kann so Bücher mal schreiben, aber dann kommt demnächst ein 12jähriger, der seine Erlebnisse aus der Sexta beschreibt. Ist ja selbst erlebt. Orginär. Erste Onanie-Erlebnisse. Pop eben.
Nun ist er aber erstmal weg, der Popjournalismus. Die Protagonisten sitzen in Thailand, Berlin, München und Hamburg und haben eins gemein. Zumeist sind sie arbeitslos. Das ist aber der eigentliche Skandal. Denn während die Verlagsmarketing-Fuzzies und Alt-68er Feuillitonschreiber genüsslich bei ihrem Lieblingsitaliener sitzen, hockt das geistige Kapital arbeitslos draussen rum und säuft.