Lorenz Lorenz Meyer über Journalismus vs. Weblogs. Schön, der Hinweis darauf, dass sich Blogger und ihre "Macht" gerne überschätzen. Nach, sagen wir mal grob, zwei Jahren, in denen sich die Weblogszene intensiv entwickelt hat, gibt es immer noch kein Blog, dass auch nur ansatzweise eine Relevanz in der tägliche Meinungsbildung über die Blogosphäre hinaus hat.

Das 90% der Journalisten heute unter der Fuchtel der Buchhalter-, Anzeigen-, Marketing- und Imageabteilungen stehen wird allerdings auch in diesem Artikel vergessen. Sicher, Journalisten sollten early adopters, sollten nur ihrem Gewissen etc verpflichtet sein, aber so einen Ethos kann sich in Deutschland vielleicht ein Broder oder ein Prantl erlauben. Der große Rest ist froh, wenn er noch seinen Job hat und hält die Fresse. Und wie groß die Angst bei den meisten zu sein scheint, will ich einfach mal daran ablesen, dass bei den Hunderten von in Berlin akkredetierten politischen Journalisten, offenbar noch nicht einer auf die Idee gekommen ist, bei blogger.com ein anonymes Blog aufzumachen und ein wenig ehrlichen Hintergrund zu liefern. Auch kenne ich kein Blog (ich lass mich da gerne berichtigen) eines einigermaßen profilierten Journalisten, der seine Meinung in einem Blog außerhalb der Zeitung preisgibt.

Vielleicht liegt das aber auch an der völlig überkommen Vorstellung, als Journalist dürfe man keine Meinung haben, sondern nur berichten. Die Fakten würden die Meinung schaffen. Habe ich schon immer für bullshit gehalten. Es fehlt in Deutschland, außerhalb der meist Supatopcheckerbunnyartigen Kommentare ("Das kann man so sehen, aber auch anders. MerkelStoiberSchröder müssen nachsitzen, wenn nichts passiert".) ein Meinungsjournalismus. Seiten, in denen steht, was jemand denkt. Die wenigen Zeitungen, die das machen (Freitag, Jungle World) liest auch deswegen kaum einer, weil sie teilweise von einem fast unerträglichen Lagerdenken beherrscht werden.

Lorenz Lorenz-Meyer hat recht, wenn er schreibt, dass der Erfolg von Weblogs erst durch die Vernetzung möglich ist, aber vor allem aber auch dadurch, dass in Weblogs, so sie sich einem Thema stellen, Meinungen publiziert werden. Man kann mit dem Autor etwas anfangen. Ihn ob seiner Meinung auslachen oder zustimmen. Das gibt es im "normalen" deutschen Journalismus nicht. In den letzten Jahren gibt es nur noch hilflose Wut, Wortnutten oder die aus Sendungen wie "Explosiv" und "Frontal21" bekannten "Investigativ" Journalisten, die Arbeitslose beim Trinken filmen und dann Sätze wie "Auch so kann man in Deutschland leben" aus dem Off sprechen. Und wohin sich der deutsche Journalismus entwickelt, kann man auch schön am "Spiegel" und seinen Titelthemen der letzten Jahre ablesen. Am Ende beißt sich die Katze in den Schwanz. So lange Blogs in Deutschland keine gesellschaftliche Relevanz haben, wird ihr Einfluß auf eine allgemeine Meinungsbildung nicht existent sein. So lange werden sie auch keinen Druck auf Verlage und Journalisten ausüben können.