
Wahlplakate und TV Spots aus den letzten 50 Jahren.

Gute Frage.
Hinfahrt Es regnet. Nach ca. 10 Minuten ist es vorbei. Mit der Ruhe. Die Schaffnerin führt eine Frau aus der ersten Klasse in die zweite Klasse, deren Zustand man eventuell gerade noch so als desolat beschreiben könnte. Und setzt sie vor mich. Bewaffnet mit einer Literflasche Weisswein schaut sie mich an und.... singt. Sehr, sehr, sehr laut. 90 Minuten und mehrere Streitigkeiten mit der Schaffnerin und aufgebrachten Zuggästen später singt sie immer noch. Ich beglückwünsche mich zu meinem Entschluss, die Plugin Kopfhörer gekauft zu haben. Sie hat schlechte Zähne. Sag ich ihr aber nicht.
Hotel Es regnet. Die Fernbedienung des Fernsehers ist kaputt! Das ist eine Unverschämtheit, denn immerhin kostet das Zimmer 38 Euro die Nacht.
Party Es regnet. Ich weiß jetzt alles über Totaloperationen, Sterilisation und Sex kurz nach dem Wochenbett. Das lag daran, dass ich bei den Frauen stand. Die Männer haben sich über Gartenhäuser von Obi unterhalten.
Arbeit Es regnet. Die Frau mit dem großen Kopfgeschirr hat so einen großen Mund, dass sie ein Brötchen komplett in der Breite rein bekommt. Verliere die Wette mit dem Kameramann, ob sie das Brötchen auch quer essen kann.
Rückfahrt Es regnet. Mehr nicht. Kann ja nicht immer alles lustig sein.
Dinge ändern sich mit der Zeit, das ist eine Binsenweisheit, ein Partysatz, den man sich eigentlich nur heimlich selber sagen kann. Aber man ist froh, dass sich viele Dinge von alleine verabschieden. Die ganzen Sachen, die einen unruhig haben sein lassen, weil man sie noch ausprobieren musste, weil man Angst hatte, dass man etwas verpasst und man lieber noch die nächsten drei Bier trinkt, weil es könnte ja noch was passieren, diese Sachen sind zum größten Teil weg. Das ist gut, weil man keine Zeit mehr damit verschwendet, sich mit Dingen zu messen. Man findet heraus was man wirklich kann, merkt, dass es keinen Sinn macht, sich mit Dingen zu schmücken, die man nicht wirklich beherrscht.
Man erkennt, dass man nie so schreiben kann, wie Autor X oder Autor Y, weil einem dieser Blick fehlt. Man kann nur versuchen sie zu imitieren, und hoffen, dass man nicht dabei erwischt wird, aber selbst eine gelungene, nie entdeckte Imitation bleibt doch eben auch nur eine Imitation, und die Kraft, die man auf so etwas verwendet, die kann man genauso gut in eigene Projekte stecken. Man beschließt kein Fotograf zu werden. Vielleicht kann man ein wenig fotografieren, vielleicht gelingt einem unter tausend Fotos auch mal ein guter Schuss, aber man ist einfach nicht gut. Man beschließt keine klassische Karriere in einem Büro machen zu wollen. Weil man eingesehen hat, dass man einfach nicht stressresistent ist. Und weil sich permanent fragt, ob das, was man da macht, einen wirklich interessiert. Schlechte Voraussetzungen für eine Karriere. Man beschließt doch keine akademische Karriere zu machen, auch wenn der Politik- und der Geschichtsprofessor einem noch vor dem Magister eine Doktorandenstelle anbieten, weil man Angst davor hat, in einem Reihenhaus in Bonn-Meckenheim zu enden. Man wirft mindesten zwei journalistische Karrieren weg, weil sie einen langweilen und weil man wieder diese vorgefertigte Zukunft nachts vor Augen hat. Und so folgt ein Ding nach dem anderen.
Eine zeitlang habe ich gedacht, dass das schlecht sei, dieser Verlust der unbändigen Kraft, alles tun zu wollen und sich einzubilden und es auch zu können. Am Anfang fühlte sich das bei mir so an, als würde ich versagen. Ich konnte mir doch vorstellen, dieses oder jenes zu tun, aber ich konnte es nicht umsetzen. Führte am Ende zu einer merkwürdigen Lethargie, in der ich gar nichts mehr gemacht habe, weil ich dachte, dass wenn ich das eine nicht kann, es auch keinen Sinn macht, andere Sachen zu tun. Klingt komisch, Melancholiker werden mich verstehen.
Natürlich kann man nicht einfach alles beiseite schieben, weil viele Träume oder Wünsche oder Ideen am Ende schlimme Wunden hinterließen. Manche Verletzungen, gerade jene, die aus Liebe entstanden sind, bleiben hängen, andere perlen an einem ab. Am schlimmsten sind natürlich die Verletzungen, die aus heiterem Himmel kamen. Jene, die einem Erdbeben gleich, alles auseinander gerissen haben, und einen verstört in rauchenden Trümmern haben stehen lassen. Und man nicht mal eine Erklärung hatte, und so monatelang torkelnd durch die Gegend ging, nur aufrecht erhalten durch das Korsett des Alltags mit all seinen grausamen Verpflichtungen wie Miete, Strom, Wasser, Gas. Manchmal war das gut, weil man Zeit hatte und beim durchstöbern der Reste festgestellt hat, dass man bei der Statik ein paar grundlegende Fehler begangen hatte. "Aha", dachte man, "wie dumm, das machen wir aber das nächste Mal anders." Und ganz bewusst schließt man ein Ding nach dem anderem aus seinem Leben aus. Manche aus Angst, manche aus mangelnder Kraft.
Eine Zeit lang hat mir dass richtig Spaß gemacht, diese Reduktion. Alles rauswerfen, das Leben entkernen, wie ein altes Haus, bis man nur noch das nackte Mauerwerk sieht, bis alles Überflüssige weg ist und man erleichtert aufatmen kann und denkt "Das bin ich, ganz ohne alles. Das ist sehr schön." Aber irgendwo klebt immer noch eine Erinnerung, an die man nicht ran kommt, denn genauso, wie man nicht alles perfekt können kann, genauso wenig gibt es die perfekte Reduktion. Ein Phänomen, das man im Übrigen in manchen Blogs beobachten kann. Wenn das Layout im Laufe der Zeit immer mehr reduziert wird, bis am Ende fast nur noch die nackten Buchstaben auf dem einfarbigen Hintergrund stehen, bis der Autor den Gedanken bekommt, das selbst die Buchstaben zuviel sind, und eigentlich eine komplett weiße, grüne, rote oder schwarze Seite reichen würde, und man froh wäre, wenn die Leser einen so gut kennen könnten, dass sie erspüren könnten, was man an dem Tag gerade sagen will.
Ich hab in den letzten Wochen viel darüber nachgedacht. Warum ich manches weggeworfen habe, warum ich manches einfach nicht (mehr) kann, warum ich die Reduktion von Gefühlen und Lebensumständen bis auf ein solches Maß getrieben hatte. Die Antwort war verblüffend einfach: Damit ich wieder anfangen kann. Etwas maßvoller, mit dem Auge dafür, was ich kann und was ich tun will. Mit dem Bewusstsein, wo meine Grenzen liegen und welche ich besser nicht mehr überschreite. Damit ich sehen kann, wann etwas schön und wert ist, in meiner Erinnerung zu verbleiben. Wann es sich mal wieder lohnt Kraft zu investieren. Damit man die falschen von den richtigen, machbaren Träumen unterscheiden kann und man sie leben kann, anstatt nur über sie nachzudenken.

Originally uploaded by DonDahlmann.
So läßt es sich bloggen. Allerdings habe ich die Befürchtung, dass zuviel Idylle schlecht für die Kreativität ist. Man wird so zufrieden, ruhig und ausgeglichen, was zumindest mir nicht gut tut, wenn ich schreiben möchte. Ein merkwürdiger, angenehmer Krampf, aber eben nicht ein kreativer. Wobei sich dann die Frage stellt: was für ein Umfeld braucht man eigentlich, um schreiben zu können. Dieses Bild eines Autors, der morgens mittags aus seinem kleinen verwunschen Häuschen in Südfrankreich tritt und erstmal über die weiten Lavendelfelder, hinab ins Tal und auf das endlos silbern glänzende Mittelmeer schaut, ist zwar nett, aber ich würde wahrscheinlich nichts zu Papier bringen können. Einerseits eingeschüchtert und durch die Landschaft, anderseits wahrscheinlich in einem depressiven Selbstzweifelanfall steckend, käme wohl nichts aus meinem Kopf raus, außer all die Momente, die man angesammelt hat, in denen man sich fürchterlich blamiert hat.
Ich habe zudem ein erschreckend schlechtes Gedächtnis (außer für all die Momente, in denen ich mich fürchterlich blamiert habe), so dass ich das meiste, was ich erlebe, sofort wieder verdränge, damit Platz für Neues ist. Bei mir funktioniert das meist so: sehen, was zu denken, kurz merken können (max. 24 Stunden), aufschreiben, sonst weg. Was gäbe ich für eine Wlan Leitung von meinem Hirn direkt zu delcious oder flickr.
Immer in einer Idylle sitzend würde wahrscheinlich am Ende nicht viel dabei raus kommen, vermutlich eher schlimme Dinge, wie die Idee, endlich einmal den guten deutschen Politthriller zu schreiben. Und zwar einen guten, der sich extrem gut verkauft und endlich einen Bogen zwischen den Hera Lind und Tom Clancy Lesern schlägt. Da ich gerade idyllisch sitze, hab ich schon mal angefangen.
<font face=times"> Als die Sonne sich am Horizont zeigte beendete Agent Pasing seinen Morgensport. Knappe fünf Kilometer war er in aller herrgottsfrühe durch die verlassen Strassen seines Wohnviertels gerannt und wie jeden Tag passte er seinen Lauf dem Zeitungsjungen an, der sich bemühte mit seinem Tempo schritt zu halten. Als er an seinem Haus ankam, dauerte es keine 3 Sekunden und Peter warf ihm die Zeitung zu. "Gute Zeit, Herr Pasing". Er grinste und betrat sein Haus. Nach einer kalten Dusche begab er sich in die Küche und braute sich einen starken Kaffee. Dann warf er auf Zehenspitzen einen Blick in das Kinderzimmer. Martha schlief wie immer ihren Lieblingsteddy im Arm tief und fest und alleine der Anblick des sanft atmenden Mädchens trieb ihm fast die Tränen in die Augen. Dann schlich er weiter zum Schlafzimmer, wo auch seine geliebte Frau Elizabeth noch fest schlief. Ihre goldenen Haare flossen über das Kopfkissen und die ersten sanften Strahlen der Sonne brachen sich in ihnen. "Du bist so wunderschön" murmelte er leise und als ob sie im Schlaf seine leisen Worten vernommen hatte, bewegte sie sich und suchte kurz mit ihrem rechten Arm nach seiner Gegenwart. Der Kaffee war gerade fertig, als Pasing draussen einen Wagen vorfahren hörte. Instinktiv griff er nach kurz nach seiner Heckler & Kock USP Tactical mit eingelassenem O-Ring sowie Gewinde zur Aufnahme eines Schalldämpfers, und schaute vorsichtig aus dem Fenster. Er entspannte sich schnell, als er sah, dass es Phillip war, der vorgefahren war. Er öffnete leicht verwundert die Tür, denn das frühe Aufstehen gehörte nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen seinen Partners. "Na. Schon oder noch wach, Phil?" fragte er mit einem leichten ironischen Grinsen. Doch der schaute ihn nur ernst an. "Es gibt Ärger Frank, wir müssen sofort los." Pasing griff schnell seinen Regenmantel und überlegte kurz, ob er Elisabeth noch einen Nachricht hinterlassen sollte. Wenn er gewußt hätte, dass er sein Heim für lange Zeit nicht wiedersehen würde, hätte er nicht überlegt.
In dem Buch, soviel kann ich schon mal verraten, würde es darum gehen, dass polnische Hartz IV Empfänger eine aussichtsreiche Kandidatin für das Bundeskanzleramt names Pherkél entführt haben. Nach einer aufregenden Jagd um den halben Globus (Harz, Fichtelgebirge, Eifel, Sierra Nevada) entdecken die beiden Helden, dass sie nur Schachfiguren im perfiden Spiel eines machthungrigen Ministerpräsidenten namens Raiber sind. Und einer der beiden Helden hat ein düsteres Geheimnis.
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