Donnerstag, 31. Juli 2008

Tja, Musikindustrie

Wir in Berlin lehnen jedoch als eine der ersten Staatsanwaltschaften die Ermittlung der Person hinter einer IP-Adresse grundsätzlich ab. Seit Herbst 2007 fragen wir nicht mehr beim Provider nach, wenn uns die Musikindustrie eine Anzeige übermittelt, sondern stellen das Verfahren sofort ein.

Sagt eine Oberstaatsanwältin aus Berlin in der Süddeutschen und bestätigt eine Herangehensweise, die so auch schon von anderen Staatsanwaltschaften umgesetzt wird. Und offenbar suchen die Staatsanwälte da bundesweit den Schulterschluss und versuchen eine einheitliche Regelung zu finden. Ein Vorschlag lautet wohl, dass man erst eingreift, wenn die Musikindustrie, bzw, deren Anwälte nachweisen können, dass mehr als 100 Dateien angeboten, bzw. runtergeladen worden sind. Wíe sie das machen wollen, ist dann wieder eine andere Frage. Normalerweise schaffen sie es gerade eine oder zwei Dateien nachzuweisen.

Die wachsende Ablehnung der Staatsanwaltschaften in Deutschland gegenüber geringfügigen Copyright Verletzungen treibt die Industrie auch immer häufiger zu wirren Ausfällen. So geistert in Brüssel die Idee rum, dass die Provider den Datenstrom ihrer Kunden überwachen sollen und wenn eine Copyrightverletzung festgestellt wird, mögen sie die Daten an die jeweiligen Rechtsabteilungen übermitteln. Irgendwie könnte man das Gefühl bekommen, dass die Musikindustrie mit aller Macht an ihrem Geschäftsmodell festhalten möchte, selbst wenn das bedeutet, dass man grundlegende Bürgerrechte komplett über den Haufen wirft.

Nur mal zur Erinnernung - das Problem der Tauschbörsen ist seit 1999 bekannt, also bald zehn Jahre. In der Zeit ist der Musikindustrie nicht gelungen, einen eigenen, vernünftigen Onlineshop zu errichten. Das musste Apple 2001/2002 übernehmen. Aber selbst nach diesem Erfolg passierte nichts. Stattdessen versuchte man sogar, Itunes auszutrocknen, was kläglich gescheitert ist. Dazu die Katastrophe mit DRM verseuchten CDs, die sich teilweise nicht mal mehr in Autoradios abspielen ließen. Man hat so gut wie nichts unternommen, um den Kunden die Musik ins Haus zu liefern und man könnte, wenn man es böse meinen würde, angesichts der Zahlen in Sachen Abmahnungen fast auf die Idee kommen, die Industrie habe die Abmahnungen als erfolgreiches Geschäftsmodell entdeckt, auf dem man sich bequem ausruhen kann. Wie die Dame im Interview zu bedenken gibt, laden viele Menschen ein Musikstück auch runter, um mal zu hören, wie es ist. Wenn es nicht gefällt, wird es wieder gelöscht. Ob hinter dem Download eine vereitelter Kauf steht, kann nie bewiesen werden.

Aber das sind vermutlich nur letzte Zuckungen einer sterbenden Industrie. Wenn ich lese, dass Sony gerade mal 600 Millionen für die restlichen 50% an BMG Music auf den Tisch legen will, reicht mir das eigentlich. BMG hat einen riesigen Backkatalog, der alleine schon einiges Wert ist. Und nur mal so zum Vergleich. Microsoft hat letztes Jahr für gerade mal 1.6% Facebook Anteile immerhin 240 Millionen Dollar auf den Tisch gelegt. Oder anderes Beispiel: für 500 Millionen Euro bekommt man gerade mal drei Jahre das Recht, die Bundesliga auszustrahlen. Das zeigt deutlich, auf welchem Platz die Musikindustrie in der Werteskala angekommen ist.

Immerhin: zu einer Sache taugt die Musikindustrie noch. Als schlechtes Beispiel hat sie die Film- und vor allem die TV Industrie gezwungen, etwas klüger zu sein.

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