Sonntag, 2. März 2008

Sonntag Nachmittags Musik Video

Die Copyright- und Verwertungsgesetze sind eine Pest. Die Musikbranche, die sich im Hintergrund weiterhin darum bemüht, dass Musik zu einem Gut wird, das immer schwerer zu erreichen ist, hätte es am liebsten, wenn CD mit restriktiven DRMs belegt wären auf denen steht, dass die CD immer das Eigentum des Herstellers bleibt und jederzeit zurück gefordert werden kann. Und am besten wäre es doch noch, wenn das Format auf dem die Musik gespeichert ist, mit einem Verfallsdatum belegt wäre. Im Grunde haben sie das mit der Einführung der CD in den 80er Jahren gemacht, als Millionen Menschen nach und nach ihre Musiksammlung auf CDs umgestellt haben. Der nächste Schritt wären vielleicht nicht abwärtskompatible Blue-Ray Disks gewesen, oder eine andere Technologie. Denn die Industrie leidet, wie viele andere Sparten, darunter, dass man sich permanent neu erfinden muss. Und weil das nicht so leicht ist, und weil man nicht einsehen will, dass der eigene Niedergang aus einer Mischung aus Arroganz, Dummheit, Unverständnis und verstärkter Konkurrenz durch andere Medienanbieter enstanden ist, versucht man logischerweise die Vertriebskanäle zu verkleinern - also die Menge der Kopien einzuschränken.

Dabei war das Kopieren von Musik seit Erfindung der Kompakt-Cassette ein weit verbreitetes Ding. In den 80er Jahren schossen CD-Verleihgeschäfte wie Pilze aus dem Boden. Man ging rein, lieh sich für ein paar Stunden oder Tage eine CD aus und kopierte die auf eine Cassette. Das Prinzip funtionierte bestens und nicht wenige hatten ganze Wände von Cassetten zu Hause neben der Stereoanlage. Cassetten waren perfekt. Meist passten auf eine 90er knapp zwei Alben drauf und es gab die hübschen "Doppel Tapedacks" mit denen man die Cassette dann auch noch weiter kopieren konnte. Niemand (außer den Schwarzhändlern in Touristenstädten) kam auf die Idee, damit einen schwunghaften Handel zu betreiben. Es war ein gutes Tauschgeschäft. Du hast die neue "Bauhaus", ich die neue "Kraftwerk" - vielen Dank. Ohne die Tauschgeschäfte, ohne die netten "Kennst Du nicht? Nehm ich dir mal auf!" hätte ich meinen Musikgeschmack vielleicht nicht so entwickeln könne, wie ich es gemacht habe. Und ohne die kopierten Tipps von anderen Menschen, hätte ich viele CDs nicht gekauft. Denn Cassette hin, Cassette her, die CD zu Hause im Schrank zu haben, ist doch noch eine andere Sache. Vielleicht bin ich da konservativ, vielleicht höre ich auch komische Sachen, vielleicht höre ich aber auch einfach zu viel Musik und archivier eben manche Dinge erst einmal, die ich mir dann später anhören möchte. Vielleicht mag ich es auch einfach mit meiner Sammlung anzugeben. Jedenfalls habe ich immer gerne CDs gekauft und viele stehen deswegen in meinem Schrank, weil mir irgendjemand mal eine Mix-Cassette gemacht hat. Und ich würde gerne mal wissen, wie viele Künstler aus den 80er Jahren ihren Aufstieg den Menschen verdanken, die voller Enthusiasmus dem halben Schulhof das damals neue Album kopiert haben.

Ich bin nicht stehen geblieben. Ich habe meinen Musikgeschmack erweitert, ausgebaut und verändert. Gerade in den letzten Jahren, seit dem es im Internet Blogs von Menschen gibt, die die Musik, die sie mögen, vorstellen. Ich würde das auch gerne machen. Vor allem bei den Perlen aus den Easy Listening der 60er und 70er Jahre. Ich verlinke seit ein paar Wochen die You Tube Videos, die ich finden kann, aber es gibt aus dem Bereich eben wenig. Gern würde ich hier einzelne Stücke reinstellen. Um die Künstler und ihre Musik vorzustellen. Um zu sagen: "Das ist so toll, da musst Du mehr von hören." Allein es geht nicht. Während ich Ausschnitte von Texten von anderen Autoren hier vorstellen kann und dann sage: "Lies da oder dort mehr..." darf ich hier nicht mal den Auszug einer mp3 vorstellen. Nicht mal, wenn ich die Qualität runterdrücke. Ich müsste mir für jedes Stück, dass ich schön finde, und von dem ich denke, dass es auch andere Leute interessieren könnte, eine Genehmigung einholen. Was bei Sachen, die es teilweise nicht mehr auf CD gibt, aber deren Rechte von irgendwelchen Verlagen gehalten werden, gar nicht so leicht ist. Was ich machen könnte wäre bei einem anonymen Hoster ein anonymes Blog aufzumachen.

Mit anderen Worten: ich müsste in den Untergrund gehen. Ich müsste mich verstecken wie ein Krimineller, was ich den Augen der Musikindustrie ja auch wäre, nur weil ich einmal pro Woche ein Stück eines Künstlers vorstellen möchte, in der Hoffnung, ein paar Leser folgen meinem Geschmack und schauen sich diesen oder jenen Künstler mal genauer an. Ich hab schon ein paar Mal darüber nachgedacht, ob ich so etwas nicht machen soll, aber ich habe dazu keine Lust. Ich bin kein Dieb - man macht mich nur zu einem. Ich empfinde es als eines der menschlichen Grundrechte, dass man Kultur weitergeben kann. Warum also sollte ich mich ducken, nur weil mir jemand droht und weil dessen Geschäftsmodell darauf aufbaut, ein menschliches und jahrtausende altes Grundrecht der Zivilisation nur gegen Bezahlung zugänglich zu machen? Man hat eine wunderschöne Geste und für Entwicklung der Kultur ungemein wichtige Sache kriminalisiert und zerstört: die des Austauschs und des Weitergebens von Kultur.

Der massive Eingriff der immer weiter ausgebauten Copyright- und Vermarktungsgesetze in das kulturelle Leben zerstört aber nicht nur meinen kleinen privaten Spaß, sondern behindert auch das Entstehen neuer Zweige der Kunst. Mashups wie das brilliante "Revolved" Album des Künstlers "CCC", existieren nur noch im Untergrund, weil die Rechteinhaber gegen die Veröffentlichung vorgegangen sind. Auch Machinima Künstler wissen ein Lied (haha) davon zu singen.

Und deswegen gibt es heute ein Video, dass schon etwas länger in meinen Bookmarks rumlungert und das ich heute in einem anderen Zusammenhang mal wieder gesehen habe. Es ist ein Vortrag von Lawrence Lessig bei der letztjährigen TED Konferenz in Monterey über Copyright und alles, was dazu gehört. 20 Minuten, die sehr unterhaltsam klar machen, was wir dank der Musikindustrie gerade im Begriff sind zu verlieren, und was sehr wichtig für uns alle war und ist.

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