Nachtrag: 28.02.07 Meine grundsätzlich positive Einstellung zu zoomer.de erhielt gestern einen ersten Dämpfer, als ich in verschiedenen Blogs lesen konnte, dass die Redaktion einen Bericht über das Portal "meinVZ" online gestellt hatte, ohne darauf hin zu weisen, dass zoomer und meinVZ aus dem gleichen Haus kommen. Das ist nicht nur schlampig, sondern eine Frechheit. Es würde mich doch sehr überraschen, wenn es dem Autor, während er den Artikel geschrieben hat, nicht aufgefallen wäre, dass beide Firmen zum gleichen Verein gehören. Zwar hat man sich mit einem Kasten neben dem Artikel wortreich entschuldigt, aber das ist mehr als ein Fauxpas, den man einfach so wegsteckt. Ein einziger Satz unter dem Artikel hätte gereicht, um Klarheit zu schaffen. Jetzt hängt der Seite der Verdacht an, im Zweifel keine glaubwürdige Quelle von Informationen zu sein. Schade.
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Ich war gestern auch bei der Präsentation des neuen Nachrichtenportals Zoomer über das die halbe Blogszene seit gestern schreibt. Ich schließe mich inhaltlich da Felix an, der das gut zusammen gefasst hat. Aber ein, zwei Dinge fallen mir zusätzlich doch ein.
Man kann darüber streiten, was das Portal bringen soll. Man kann es auch mit Kritik überhäufen, von wegen zu langsam, zu wenig Nachrichten usw. Was ich allerdings sehr positiv finde, ist der Mut, mit dem man versucht, auch mal was anders zu machen. Schaut man sich die Nachrichtenportale im Netz an, dann sehen die im Prinzip alle gleich aus. Sponline, Focus, der Westen, SZ und mittlerweile auch die Netzeitung - im Prinzip alles gleich von der Funktionsweise, bezüglich des Design und der Inhalte. Man setzt hier und da auf User generated Content, aber das war es auch dann. Die Idee von Zoomer, einersteits die User die Artikel ergänzen zu lassen, ist nicht neu, aber man geht einen entscheidenden Schritt weiter - man läßt die User teilweise über die Wichtigkeit einer Nachricht entscheiden.
Das ist neu und zum ersten Mal läßt sich eine Redaktion in einen Bereich reinreden, der bisher der letzte Verteidigungsturm in Sachen "Gatekeeping" war. Nicht mehr die Redaktion alleine entscheidet, was auf der Startseite groß angekündigt wird, sondern die User reden zumindest mit. Die Entscheidung ist schon interessant, auch wenn natürlich die Redaktion das letzte Wort hat. Ich sehe darin eine große Chance in Sachen Mitbestimmung des Netz und der User bei redaktionellen Inhalten. Denn der User soll nicht nur, wie bei vielen anderen Portalen, seinen Content kostenfrei anbieten, sondern er kann auch zusammen mit anderen entscheiden, welche Prioritäten bei der Nachtrichtenauswahl die Redaktion setzen kann. Das klingt für eine Branche, die auf immer wieder beklagt, aus dem Internet würde nur Schmutz nach oben gespült, schon fast revolutionär.
Interessanterweise kommt es bei so einem Projekt aber gleichzeitig noch sehr viel stärker auf die Redaktion und deren Draht ins Netz an. Die Befürchtung ist natürlich da, dass man in Zukunft nur noch die Titten von Britney Spears auf der Titelseite sieht. Da die Redaktion die Themen für die Startseite auswählt, ist man zumindest davor einigermaßen geschützt. Allerdings muss man die Themen auch anders anpacken, denn um noch mal was über eine Steueraffäre zu lesen, brauche ich Zoomer nicht. Man steckt also in einer gewissen Zwickmühle. Einerseits muss man Themen anders aufarbeiten, als das Sponline & Co machen, andererseits kostet sowas auch nicht wenig Geld. Mit der rechten Spalte hat man aber ein Instrument wiederentdeckt, dass durchaus funktionieren kann. Statt nur die dpa Meldung abzudrucken, fügt man rechts einen Haufen Informationen an. Ob man die Info-Häppchen mit dem "Focus-Charme" mag, ist eine andere Frage, aber zumindest gibt man sich Mühe, den User mit der Meldung nicht alleine zu lassen. Aber so ein wenig fehlt mir da noch etwas. Zum Beispiel eine Linkliste, die ein Thema weiter vertieft. Da könnten Links zu Blogs drin stehen, aber auch einfach ein Link zu einem Wikipedia Eintrag.
Der Erfolg des Portal hängt sehr von der Leistung und der Vernetzung der Redaktion im Netz ab. Gelingt es der Redaktion sich auf Netzthemen wie z.B. die Vorratsdatenspeicherung, G8 Gipfel oder andere Dinge, die von den klassischen Medien häufig nur mit dpa Meldungen abgespeist werden, zu konzentrieren, dann könnte das Ding wirklich zu einem Erfolg werden, weil viele User dann das Gefühl bekommen könnten, ihre Eingaben via Kommentar und Content werden wirklich ernst genommen. Und somit könnte sich Zoomer als Kanal zwischen Netzthemen und dem klassischen Journalismus erweisen.
Naja, man wird sehen. Ich bin nicht so euphorisch, betrachte das Ding aber mit Interesse. Wirklich erstaunt bin ich aber weiter über die Zähigkeit des Holtzbrinck Verlags in Sachen Internet. Man hat sich ja schon einige blutige Nasen geholt, aber man steckt den Kopf offenbar nicht den Sand. Ob man das Projekt nun mag oder nicht, man muss dem Verlag zumindest zugute halten, dass er immerhin mal was versucht, während andere Verlage erstarrt sind, oder wie die SZ nach vorsichtigen Versuchen die Luken wieder dicht machen. Innovation ist keine leichte Aufgabe.