Freitag, 30. November 2007

Cem fragt, ob man sich mein Sozialverhalten durch das bloggen verändert hat.

Ich bin seit 1996 online. Kann also an lauen Abenden nach vier bis acht Bier mitreden, wenn Dinge wie "14er Modem" fallen. Wenn ich sehr betrunken bin, dann versuche ich sogar die Modempieptöne nachzumachen. Das Erste, was ich im Netz gemacht habe war: Andere Leute suchen. Damals gab es nur Foren (Wir hatten ja praktisch nichts! Es war immer Winter und wegen der hohen Telefonrechnung hatte man kein Geld für die Heizung und man musste sich am Modem wärmen!) die so aussehen, wie Parsimony Foren es noch heute tun.

Mein Sozialverhalten war schon immer eher mangelhaft. Ich bin nicht immer gerne mit Menschen zusammen, Menschenansammlungen meide ich großräumig, bei Konzerten habe ich schon immer hinten gestanden und wenn ich misantroph gelaunt bin, kann ich kaum jemanden um mich ertragen. Ich mag es alleine zu sein, und die einzigen zwei Lebewesen, die ich dauerhaft ohne Einschränkung um mich herum ertragen kann, sind das wunderschöne Mädchen und meine Katze. Ich finde Menschen nicht schwierig, aber ich finde es schwierig, dauernd Kontakt halten zu müssen. Meinen besten Freund kenne ich seit über 20 Jahren und er ist ähnlich wie ich gestrickt. Wenn wir uns also mal einen oder zwei Monate nicht sehen, ist das eher normal. Wir haben absolut keine Probleme nach längerer Zeit unser Gespräch genau da anzuknüpfen, wo wir Wochen vorher aufgehört haben. Solche Menschen trifft man ja nun eher selten, weswegen es auch nur einen gibt in meinem Leben.

Das Internet ist nun eine ganz nette Nummer für kontaktschwache Menschen wie mich. Man kann Kontakt halten, ohne dass man sich sehen muss. Und Blogs ermöglichen einen die neuesten Dinge zu berichten, ohne dass man reden muss. Ich mag es am Leben anderer auf diesen Weg teilzunehmen, ich mag es etwas von mir zu berichten. Ich mag es, dass ich das nicht am Telefon tun muss, denn ich telefoniere nicht so gern wenn es nichts dringendes ist und bin sowieso besser, wenn ich es aufschreiben kann. Ich brauche zu dem lange, bis ich zu jemand Vertrauen finde und Blogs sind wohl die beste Methode jemanden kennen zu lernen, ohne mit ihm zu reden.

Natürlich hat mir das Blog auch etliche geschäftliche Kontakte eingebracht. Das hat dazu geführt, dass man mich für die ein oder andere Sache als Autor oder Moderator verpflichtet hat. Das hat mein Arbeitsleben deutlich verändert. Ich verbringe im Schnitt pro Tag rund fünf Stunden mit der Recherche und dem Schreiben von Blogeinträgen, die Arbeit für dieses Blog nicht mit eingerechnet. "Mindestenshaltbar" sind auch rund 30 bis 40 Stunden im Monat Arbeit, das Racingblog (Non-Profit) rund eine Stunde am Tag, allerdings ohne die ganzen TV Übertragungen und sonstigen Recherchen. Manchmal kommt noch was für andere Publikationen hinzu, Konzepte, Telefonate und der übliche administrative Quatsch eines Freiberuflers. Manchmal kann ich einen Blogeintrag innerhalb einer Stunde schreiben, manchmal ist der Sprachbeutel leer, dann braucht man drei Stunden. Schreiben funktioniert halt nicht automatisch. Dafür habe ich aber auch das Glück, dass ich nur Blogs und Themen betreue, die mir außerordentlich viel Spaß machen.

Das bloggen hat mich auch im politischen Sinne bewusster werden lassen. Je häufiger die Verlage ihre Redaktionen nicht mehr unter journalistischen sondern unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten führen, desto mehr habe ich das Bedürfnis verspürt, dem etwas entgegen zu setzen. Dank vieler Seiten hat man heute mehr denn je die Möglichkeit, in seinem eigenen Rahmen am politischen Leben und an den Entscheidungsprozessen teilzuhaben. Der ganze Überwachungsquatsch, die Rechtslage bei den Abmahnungen, die Auswüchse der Rechteinhaber Industrie und deren Bekämpfung sind mir wichtig geworden, weil sie mein Rechtsbewusstsein verletzten. Und ich habe festgestellt, dass ich damit nicht alleine bin. Blogs und das Internet haben mich dazu bewogen, mir Gedanken über Dinge zu machen, die mich vorher nicht mal ansatzweise interessierten. Was auch daran lag, dass ich sie nicht wahrgenommen habe, weil sie in den Medien nicht stattfanden. Ich habe in den letzten Jahren mehr über das System "Journalismus" verstanden, als in den Jahren zuvor. Und ich sehe eine wage Chance, dass die Berichterstattung in den Blogs dem klassischen "Häppchen Journalismus" ein Ende bereiten werden. Wer gelesen werden will, der braucht gute Inhalte, wer nur "Klickstrecken" wie die SZ anbietet, wird (hoffentlich) bald untergehen.

Das Blog hier hat mir aber auch eine Menge neuer Kontakte gebracht. Allein die ganzen Berliner, die viel zu selten sehe (siehe oben) sind eine Bereicherung in meinem Leben. Wenn ich dann mal jemanden sehen mag, dann weiß ich, dass ich schnell jemanden finde, mit dem ich einen sehr schönen Abend bei Wein und Bier verbringen kann. Und das der Abend eine lange Nacht wird. Es gab etliche, wirklich unvergessliche Abende und Begegnungen und ich mag das unsichtbare Band, das mich mit einigen Menschen in Berlin und Deutschland verbindet. Die Blogs der Menschen zu lesen, die ich mag ist eine der schönsten Momente an jedem Tag. Und jeder Tag fängt auch zunächst mit den Blogs und Twitterupdates dieser Menschen an.

Aber die Änderungen im Freundeskreis und innerhalb des Arbeitslebens sind lange nicht so gravierend, wie die Änderung, die das wunderschöne Mädchen in mein Leben gebracht hat. Sie hat mein Leben umgekrempelt und ich bin jeden Tag froh, dass es sie gibt und das sie mir immer wieder etwas beibringt. Ohne dieses Blog, hätte ich sie wohl kaum kennen gelernt und würde immer noch auf der Suche der Sicherheit sein, die ich bei ihr gefunden habe.

Also Cem, ja, mein Sozialverhalten hat sich wohl nicht verändert, aber da hat sich einiges in meinem Leben durch mein Blog und durch das Internet getan.

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