Dienstag, 23. Oktober 2007
Bei den Kameras neben den Mülltonnen hingegen ist es anders. Sie sind zu Testzwecken im Altländer Viertel, sie filmen die Menschen beim Müllwegwerfen und dabei, wie sie sich direkt an der Tonne mit einer Chipkarte identifizieren, erst dann lässt sich der Behälter öffnen. Wer einige Wochen lang nichts weggeworfen hat, bekommt Post vom Ordnungsamt. Wegen des Verdachts der wilden Müllentsorgung.

Sehr interessanter Artikel im Tagesspiegel über den Modellversuch einer totalen Kameraüberwachung in einer Siedlung. Was heißt hier Modellversuch - das ist kein Versuch, das ist die Umsetzung dessen, was sich nicht wenige Politiker in Deutschland wünschen. Aus Sicherheitsgründen, versteht sich.

Bei solchen Artikeln wächst in mir der sehr starke Wunsch, das Land zu verlassen. Aus Sicherheitsgründen. Je mehr der Staat in meine Freiheiten eingreift, desto unwohler fühle ich mich. Es ist kein Gefühl, dass sich genau beschreiben oder festlegen lässt. Es ist eher so ein Gefühl der Beklemmung, das etwas sehr falsch in diesem Land läuft. Und das es erst der Beginn einer Entwicklung ist, nicht das Ende. Und das alles noch schlimmer werden wird, nicht besser. Und das es mich entweder in eine innere Resignation, oder ins Ausland treiben wird. Oder beides.

Wenn ich lese, dass Gerichte beschliessen deutsche Gesetze auch auf Seiten anzuwenden, die gar nicht in Deutschland angesiedelt werden, wird mir schlecht. Demnächst wird man youporn und andere Seite nicht mehr erreichen dürfen, weil sie gegen das Jugendschutzgesetz verstossen. Wenn es danach geht, müsste man sämtliche Seite vom Netz nehmen, auf denen man Alkohol bestellen oder sich darüber informieren kann. Weg mit whiskey.de, sperrt bitburger.de und schafft endlich verpoorten.de aus dem Netz, die Jugendliche besonders heimtückisch in den Alkoholismus treiben. Was ist das für eine Gesetzgebung? Schutz der Jugend? Was hift es eine Seite zu verbannen, wenn es ca. 50 weitere Varianten im Netz gibt? Und fängt der Schutz der Kinder nicht im eigenen Haus an? Wer seine Kinder unbaufsichtig oder ohne installiertes Schutzprogramm ins Netz läßt, der schickt sie auch Abends um halb zehn hintern Bahnhof, am Kiosk schnell ne Flasche Schnaps kaufen.

Die Hysterie, mit der auf pixelige Pornobilder reagiert wird, die hätte ich gerne mal, wenn es ums Steuerrecht, Lohnerhöhungen und Missbrauch der Überwachung geht.

Nachtrag. Italien fällt als Auswanderungsland auch schon mal weg.

In der vorgesehenen Fassung verlangt das umstrittene Gesetz von allen Anbietern, die Inhalte im Netz oder über andere Medien verbreiten, sich bei der italienischen Regulierungsbehörde für Kommunikation als publizistischer Anbieter zu registrieren – unabhängig davon, ob sie gewerblich im Netz unterwegs sind oder nicht. Für die gebührenpflichtige Registrierung müssen Unterlagen beigebracht werden. Ein Teenie-Blog auf MySpace müsste sich in Italien ebenso bei der Regulierungsbehörde anmelden wie eine Tageszeitung oder ein Fernsehsender, bemängeln Kritiker die mangelnde Präzision des Vorschlags. Darüber hinaus könnten Blogger im Ernstfall ebenso für Beiträge oder Kommentare haftbar gemacht werden.

Heise hat mehr Infos.

Permalink