Montag, 11. Juni 2007

Vorbemerkung: Ich hab den G8 Gipfel und die Berichterstattung zu großen Teilen im Netz und im Fernsehen verfolgt. Ich habe bei Tageszeitungen deren Webberichterstattung gelesen, die Holzausgaben habe ich weggelassen. Dadurch ist das, was ich schreibe, ein persönlicher Eindruck

Wenn es, neben dem Klima und Afrika, einen großen Verlierer des Gipfels gibt, dann sind das vermutlich die Tageszeitungen. Es ist überraschenderweise nicht Spiegel Online, sondern die SZ Online. Und auch das Fernsehen, vor allem RTL, hat gezeigt, dass man sich eher in Richtung "Fox News" bewegt, denn für das zu stehen, was man mit dem Privatfernsehen in den 80er Jahren mal verbunden hat: Liberales, nicht von Politik geprägtes Fernsehen.

Doch der Reihe nach. Die Katastrophe für die Tageszeitungen und deren Politik, dpa Meldungen ungeprüft auf die eigene Webseite zu stellen, ist hinreichend bei Stefan Niggemeier dokumentiert. (Teil Eins, Teil Zwei). Sie offenbart das grundsätzliche Problem moderner Redaktionen und des sog. "Qualitätsjournalismus". Die kleinen Zeitungen senden kaum mehr eigene Reporter zu solchen Ereignissen, sondern lassen sich über die dpa informieren. Das die dpa mal falsch liegen kann - bei der Masse an Meldungen, die dort täglich verarbeitet werden ist das nicht schön, kann aber passieren. Das man drei volle Tage braucht um die Meldung zu korrigieren ist aber eine journalistische Unverschämtheit. Dennoch würde ich der dpa nicht unbedingt den schwarzen Peter zuschieben wollen, denn für die Überprüfung einer Meldung, deren Einordnung und Bewertung, ist ja, so heißt es ja zumindest gerne, die Redaktion zuständig. Was aber nicht, bzw. nur selten passiert ist. Wie sehr sich die Redakteure auf die dpa verlassen, wird auch an diesem Artikel deutlich.

Auch die Meldung, dass es Polizisten gab, die innerhalb des "schwarzen Block" unterwegs waren, und angeblich zu Straftaten aufgerufen haben, tauchte auf den Webpräzensen der meisten Tageszeitungen entweder gar nicht, oder nur als kleine Meldung auf. Immerhin war hier die "Welt" schnell, die schon am 06.06.07 erste Berichte darüber auf ihrer Seite hatte. Nebst eines vielsagenden Bildes. Ansonsten wurde das Thema, bis heute, totgeschwiegen.

Völlig enttäuschend war die Berichterstattung der SZ-Online. Da gab es kaum etwas kritisches zu lesen und man konzentrierte sich fast vollständig auf den Gipfel, statt auf das drumherum.

Weiterer Verlierer: Das Fernsehen, vor allem das Privatfernsehen. Die ARD bliebt die ganze Zeit relativ kritisch distanziert, das ZDF balancierte zwischen Boulevard Berichterstattung über die "Chaoten" und regierungstreuer Erfolgsmeldung, während RTL völlig das Gesicht verlor und selbst die Abschlusserklärung, dass man einen Halbierung des CO2 Ausstoß bis 2050 in Erwägung zieht, wurde als toller Erfolg dargestellt. Dazu minutenlange Berichte über "Chaoten", selbst am Freitag, als es nur noch vereinzelt Auseinandersetzungen mittels Wasserwerfer gegeben hat. Das, was RTL da ablieferte erinnerte mich sehr stark an FOX News. Boulevardbilder, Jubelmeldungen und Kritiker wurden erst gar nicht zu Wort gelassen. Der Sender, dessen Bilder auch bei n-tv, RTL2 und Vox laufen, ist so weit nach Rechts gerutscht, dass ich mir ernsthaft Sorgen mache. Von einer fairen Berichterstattung war RTL soweit entfernt, wie ein nordkoreanischer Staatssender.

Großer Gewinner der letzten Woche sind die Blogs, allen voran das Blog der Tagesschau die einen ziemlichen Spagat gewagt haben. Einerseits gab es eine interessante Hintergrundberichterstattung über die Pressekonferenzen usw. andererseits waren viele Reporter auch "draussen" unterwegs und bewegten sich mit den friedlichen Demonstranten. Man war offenbar mutiger, als die Kolllegen vom NDR, wie man bei Netzpolitik nachlesen kann. Blogs haben mit ihrer Geschwindigkeit, Hintergrundrecherche und Bildern dafür gesorgt, dass Falschmeldungen aufflogen, prügelnde Autonome wie Polizisten entlarvt wurden und vor allem der Protest deutlich weiter im Vordergrund der Berichterstattung (positiv wie negativ) stand, als der eigentliche Gipfel.

Ich glaube, dass die Berichterstattung über den Gipfel und seine Proteste tatsächlich eine Zäsur für die meisten Medien darstellen. Blogs haben bewiesen, dass sie auch in der Masse durchaus kritisch und distanziert berichten können. Es gab die Möglichkeit der direkten Partizipation, aber es wurde auch nicht jede noch so merkwürdige Meldung sofort herausposaunt. Die meisten Blogs blieben wachsam, was vielleicht etwas damit zu tun hat, das da Autoren sitzen, die so medienerfahren sind, dass man sich auch im Bereich der Desinformation gut auskennt. Es ist schwer zu sagen, wie stark Blogs bei diesem Gipfel die Berichterstattung geprägt haben. Ich nehme mal an, dass der Spiegel durchaus die Blogs und deren Meldungen gescannt hat und seine Berichterstattung angepaßt hat. Die Medien, die das nicht gemacht haben, die sich nur auf die dpa verlassen haben und nicht mal einen eigenen Reporter vor Ort hatten, werden das gespürt haben. Und vor allem bei der nächsten großen Glaubwürdigkeitsdebatte zu hören bekommen.

Den schönsten Satz, rechtzeitig in der letzten Woche, hat aber das Bundesverfassungsgericht geschrieben. Offenbar der einzige Laden in Deutschland, in dem man sich noch um die Grundrechte schert.

"In der freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes haben Grundrechte einen hohen Rang. Der hoheitliche Eingriff in ein Grundrecht bedarf der Rechtfertigung, nicht aber benötigt die Ausübung des Grundrechts eine Rechtfertigung."

Zu finden war dieser Satz nicht in einer Zeitung sondern im Lawblog. Angesicht der Berichterstattung zum Beispiel bei RTL in der letzten Woche, sollte man das mit Goldfaden auf einen Teppich klöppeln und der Redaktion ins Büro hängen.

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