Montag, 26. September 2005

Urlaub, sei er noch so kurz, in einem fremden Land voller Geheimnisse und Abenteuer zu verbringen, bietet Abwechslung vom täglichen zu Hause rumhängen und alle drei Minuten F5 drücken um die Blogroll zu aktualisieren harten Kampf um den Kontostand. So war es eine willkommene Abwechslung, als das wunderschöne Mädchen zwei Tickets nach Venedig organisierte und meinte "Los jetzt." Nach ein paar Tagen in dieser Stadt, bin ich jetzt in der Lage einen höchstgenauen Bericht über Venedig abliefern zu können. Fangen wir einfach mal mit den Eingeborenen an.

Der Venezianer an sich kennt genau drei Berufe, mit denen er sein Geld verdient. 1. Hotelier. 2. Restaurant/Bar/Bistro/Osteria/Trattoria/ Pizzeria/Eisladen Besitzer. 3. Verkäufer von venezianischen Masken und merkwürdigem Glas-Tand. Der Venezianer betrachtet die Touristen ungefähr so, wie ein schlechtgelaunter Hühnerbaron seine Legehennen betrachtet. Besonders in Restaurants längs der Touristenströme. Des weiteren ist die venezianische Küche für zwei Dinge weltweit berühmt: Zum einen für die exorbitanten Preise, zum anderen für die mangelnde Qualität, wie man an einigen Stellen sehr eindrucksvoll unter Beweis stellt. (Zwei Adressen wo es nicht so ist, weiter unten) Interessant auch, die allgemeine Schläfrigkeit der Venezianer. Gondoliere und andere menschliche Touristenfallen machten den Eindruck einer sehr voll gefressenen Spinne, die gelangweilt darauf wartet, dass mal wieder etwas im Netz landet. Im Falle der Gondoliere waren dass dann zumeist kichernde weibliche japanische Reisegruppen. Da konnte man schon ein wenig Mitleid bekommen, mit den Gondoliere, von denen netterweise auch keiner sang.

Erstaunlich auch die ebenso sympathische wie vehemente Weigerung der Einwohner, trotz vermutlich rund 6 Millionen USA Touristen pro Jahr, auch nur eine Fremdsprache einigermaßen verständlich zu beherrschen, was vielleicht auch damit zusammenhängen mag, dass Venedig eben eine Insel ist und man irgendwann was essen muss, auch wenn man nicht versteht, was der Kellner da von einem will. Um die Touristengegenden Rialto/San Marco haben die Venezianer dann einen Kompromiss geschlossen und servieren fast ausschließlich Pizza, was die amerikanische Bevölkerung dankend zur Kenntnis nimmt. Auch gut: die erstaunliche Fähigkeit der Venezianer Touristen zu riesigen Gruppen zu bündeln, und diese dazu zu bewegen, den ganzen Tag einem Schirm hinter her zu laufen, der sie durch die Gassen schleift, möglichst weit weg von all den Ecken, an denen die Eingeborenen leben und ihre Ruhe haben wollen. Der Stadtteil San Marco, der alle wichtigen Sehenswürdigkeiten beherbergt, ist dann auch so was wie eine sehr gute Idee eines Walt Disney Managers, der mal was völlig anderes machen wollte, als immer diese Achterbahnen und Mickey Maus Figuren. Stattdessen: ein bisschen alter Krempel, von dem keiner weiß, was er eigentlich soll, außer hübsch zu sein, enge Gasse und sehr, sehr viele bekannte Modefirmen, neben genuine italian Food.

Wo Nationen aufeinander treffen sind jedoch auch andere Beobachtungen möglich. Engländer kann man zum Beispiel mit geschlossenen Augen daran erkennen, dass sie die Akustik der winzigen, engen Gässchen gerne mittels eines kräftigen Rülpsers austesten. Gewonnen hat bei diesem Wettbewerb mit weitem Abstand ein ca. 20jähriges Mädchen, dass die dreitausend Anwesenden, die gerade versuchten gleichzeitig durch eine zwei Meter schmale Gasse zu gehen und dabei den Eindruck zu vermitteln, sie würden gemütlich schlendern, damit in Erstaunen versetzte, dass aus so einem jungen, schmalen Ding, so ein Geräusch rauskommen kann.

Aber natürlich ist Venedig auch schön. Zum Beispiel der Gemüse und Fischmarkt, das wundervoll grünlich schimmernde Wasser, die kleinen ruhigen Gassen an den noch kleineren Kanälen, die man am allerliebsten einpacken und mitnehmen würde, die kleinen unaufgeregten Weinbars in denen man knutschen kann, eben die Kleinigkeiten, die man suchen kann. Man muss nur einen kleinen Trick anwenden: Niemals den Schildern "San Marco" oder "Rialto" folgen, die so eine Art Autobahn für den Touristenherdenauf- und Abtrieb kennzeichnen. Es sei denn, man sucht sein Hotel, weil man sich an Hand des Stadtplans verlaufen hat. Verlaufen kann man sich sehr schnell, und die Stadtpläne sind in Venedig mit sehr viel Humor und nach dem Zufallsprinzip entworfen. Niemals enthält ein Stadtplan alle Strassen oder Gässchen, die in Ecken enden, die nicht eingezeichnet sind und noch sind alle Kanäle drauf, in die man stolpert. Und schon gar nicht sollte man sich zum Beispiel auf die Karten verlassen, die Hotels auf ihren Webseiten haben. Die beiden Webseiten unseres Hotels zeigten fröhlich zwei völlig unterschiedliche Kartenausschnitte. Zusammen mit einem Ausdruck des Stadtteils von Google Earth wurden wir aber dann doch fündig und ich konnte sagen "Mann gut! Mann Haus gefunden!"

Hier noch die versprochenen zwei Tipps. Essen: Trattoria Antica Mola, Canneregio 2800. Einfaches, frisches, gutes Essen am Kanal Fondamente Ormesini nahe des alten Juden Viertels. Wir hatten jeweils Vor-, Haupt,- und Nachspeise nebst einer Flasche Wein plus noch einen halben Liter Hauswein und einer Flasche Wasser. Zusammen für 55 Euro, was für venezianische Verhältnisse geradezu lächerlich billig ist. Trinken: Cantina Vecia Carbonera, Cannergio, Campo Maddalena. Ein kleiner Laden, in dem es recht guten Wein für 2 Euro das Glas gibt. Man kann gemütlich draußen auf der Treppe sitzen. Macht allerdings früh zu. Wie fast alle Läden in Venedig umm kurz vor Mitternacht dicht machen, was aber nicht schlimm ist, da man nach dem stundenlangen Betrachten von engen Gassen, schlecht angezogenen Amerikanern und noch schlechter angezogenen Engländern sowieso todmüde ist.

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