Donnerstag, 12. Mai 2005

Ich war mal in Belgien. Komischweise fährt man ja eher nach Holland, als nach Belgien. Vielleicht wegen diesen riesigen Kroketten die mit irgendwas merkwürdigen gefüllt sind, und ohne die keine holländische Frittenbude in Holland aufmachen darf. Wahrscheinlich gibt es eine holländische Krokettenmafia, die jeden Imbissbudenbesitzer blutig schlägt, hat er nicht die Riesenkrokette in seinem Angebot. Ich kannte Menschen, die ausschließlich deswegen nach Holland fahren. Sie sagten "Hmm, mal wieder nach Holland fahren, so eine Riesenkrokette futtern. Ach ja, neues Dope brauch auch." Ich selber hab noch nie eine gegessen, weil ich Angst hatte, mir so einen Riesenprügel mit heißem Inhalt in den Mund zu schieben. Das kann jetzt jeder sexuell interpretieren wie er will, ich wollte mir einfach nicht die Mundhöhle an diesem komischen Schleim verbrennen, der aus den Riesenkroketten raus läuft. Irgendwann dachte ich, dass ich das kleine Land neben den Krokettenbrätern ja auch mal besuchen kann. Mal "Hallo" sagen, lecker Essen, die berühmten Fritten, vielleicht die Sehenswürdigkeiten anschauen. Das erste, was mir in Belgien auffiel, war der Himmel, der offenbar ein Stück weiter unten hing. Ich vergleich das mal so:

Holland -> schöner Altbau, hohe Decken, hell. Belgien -> sozialer Wohnungsbau aus dem 50er Jahren, Deckenhöhe 1,50 m, Soutterain.

Das ändert sich erst, wenn an die See kommt, oder in Brügge nächtigt, dem "Venedig Belgiens". Oder war das Antwerpen? Ist Antwerpen in Belgien? Zum Venedig Belgiens möchte ich noch anfügen: Was nicht so alles das Venedig von irgendwas ist. Die Hamburger sind sehr stolz darauf, dass sie mehr Brücken als Venedig haben, und nennen sich hier und da mal „Venedig des Nordens“. Miami Beach wurde auch mal als "Venedig Floridas" beschrieben. Alles ist Venedig. Überall. Das macht mich völlig fertig. Allein das Wort schon. Ist ja gerade modern, doofe Wörter so lange laut vor sich hin zu sagen, bis sie im Kopf völlig Lächerlich klingen.

Venedig. Venedig. Venedig. Venedig. Venedig. Venedig.

Jetzt hab ich so oft geschrieben, dass ich mir unsicher geworden bin, ob man es überhaupt so schreibt. Egal. Ich also mit meinem alten Käfer nach Belgien. Natürlich toll: die beleuchteten Autobahnen. Die Belgier haben damals noch alles an- und ausgeleuchtet, was sie hatten. Ein einsames Haus mitten auf dem Feld kam nicht ohne Flakscheinwerfer aus, dass es Nachts in gleißendes Licht tauchte. Kraftwerke, Fabriken, Brücken, Bahngleise. Alles voll ausgeleuchtet. Und darauf waren die Belgier auch sehr stolz. In Brüssel hab ich mir dann das Atomium angeschaut, das irgendwie sinnlos auf einem Hügel stand, und das ebenso verrostet war, wie es stank. Es stank wirklich schrecklich, irgendwie nach Mottenkugeln und für einen Moment hatte ich die Theorie, dass die Belgier damals in den 50er Jahren unter einer wahnsinnigen Mottenplage gelitten haben was ihnen sehr peinlich war und sie deswegen dieses große Atommodell bauen ließ, damit sie die Mottenkugeln verstecken konnten. Noch hat niemand diese Theorie widerlegt . Ich bin dann noch einen Tag ein wenig sinnlos durch Belgien hin und her gefahren. Man kurvt über das platte Land und plötzlich poppt ein schlecht gerendertes Dorf vor einem auf in dem kein Mensch zu sehen ist, nur vielleicht eine Kuh. Dann denkt man "Ach, hier leben also auch Menschen", fragt sich, was die wohl den ganzen Tag so machen und fährt weiter. Das war eher deprimierend, auch wenn es wohl kaum einen besseren Hintergrund für meine "Bauhaus", "This Mortal Coil" und "Trisomie 21" Kassetten gab, als die Gewerbegebiete einer mittleren Kleinstadt in Belgien.

Auf dem Rückweg dann an den Ardennen vorbei geschrammt, auch aus dem Grund, selber den blöden Witz „Damals in den Ardennen“ machen zu können. In den Ardennen gibt es aber nichts. Jedenfalls nicht da, wo ich war. Nichts ist jetzt auch falsch. Es gibt sehr viele Bäume, die mit ihren lustigen Wipfeln die tief hängenden Wolken von unten fein sauber putzen. Ich kaufte noch schnell ein mächtiges Stück Ardennenschinken, den ich auf den Rücksitz warf und ca. sechs Wochen später im Hochsommer wieder gefunden habe, weil es in meinem Auto so komisch roch. Eine zeitlang dachte ich, dass noch irgendwo Teile des Hasen, der sich leider wenige Wochen zu vor in suizidaler Absicht vor meinen Wagen geworfen hatte, unter dem Auto hängen würden. Tja. Das sind meine Erinnerungen an Belgien. Stinkender Schinken, Mottenkugeln, Regen. Seitdem auch nie mehr da gewesen, außer einmal in Brüssel, als wir wegen merkwürdigen Geräuschen in der Hydraulik notlanden mussten, was meine Empfinden für Belgien auch nicht verbessert hat. Am Wochenende fahr ich aber vielleicht mal wieder in dieses Land. Vielleicht aber nach Holland, da könnte ich versuchen meine freundliche Begleitung eine dieser Kroketten essen zu lassen, um endlich mal das große Rätsel zu lösen, was in den verdammten Dingern eigentlich drin ist.

Permalink