Dienstag, 3. Juni 2003

Terror auf dem Bürgersteig

Ich habe heute lange mit mir gerungen. Unentschlossen stand ich vor meinem Fahrrad, in der einen Gehirnhälfte den Gedanken: "Es ist bestimmt nicht gesund bei SO einer UNGLAUBLICHEN Mittagshitze mit dem Fahrrad durchs Ozon zu fahren." Die andere Gehirnhälfte meinte: "Pfff..jooo...hm..."Da blieb mir nichts anderes übrig, als mit dem Fahrrad zu fahren. Gemütlich, den sanften Fahrtwind geniessend, überlegend, ob ich mir heute Abend tatsächlich den Fisch in der Joghurt-Minz-Sosse machen soll, radelte ich die Chaussestrasse herunter, als mein Weg durch einen Stau verstellt wurde. Ein Stau, zwei LKW, die entladen wurden, eine schmale Strasse und eine Straßenbahn die von hinten kam. Hahaha, lachte ich, und steuerte flugs auf den Bürgersteig, wo ich in Schritttempo laut lachend an den Autos vorbei fuhr und nebenbei die wunderschönen Beine einer Passantin bewunderte. Die tat ich ausgiebigst bis sich plötzlich jemand vor mein Fahrrad schmiß. Und ich schwöre, er sagte die Worte "Halt, Polizei, bleiben sie stehen."

Ein Polizist, dessen Unterarme von oben bis unten tätowiert waren, hatte sich todesmutig vor mein Rad geworfen. Normalerweise hätte ich an einen Überfall geglaubt, aber ich stellte fest, dass 10 Meter vor mir weitere Polizisten rumlungerten und harmlose Fahrradfahrer stellten. Seit wann verdienen die soviel Geld, dass die sich Tattoos erlauben können? Und seit wann ist sowas bei der Polizei erlaubt? Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass er die Tattoos wohl mal selber mit einer Stricknadel gemacht haben musste. Das hinderte ihn jetzt aber nicht daran, mich triumphierend anzugrinsen.

"Sind sie noch unter acht Jahren?" frug er leicht lächelnd und ich antwortete "Klar, meine Mami hat mir aufgetragen Bier für meinen Papi zu holen, sonst schlägt er uns wieder." Nein. War gelogen. Hab ich nicht geantwortet, denn um so schlagfertig zu sein, war es zu heiß. Also sagte ich "Hmpf". Man belehrte mich dann, dass ich gefälligst auf der Strasse zu fahren habe. "Aber, "warf ich in einem verzweifelten Versuch von Logik ein, "ist es nicht sicherer, wenn man in Anbetracht einer so gefährlich engen Stelle wie hier, wo die Autos rücksichtslos einen Fahrradfahrer gefährden, auf den Bürgersteig auzuweichen?"

Seine Augen verengten sich und der Blick verhieß "Willste Ärger, Bürschenchen?". Hastig überlegte ich, ob es noch irgendwelche Haftbefehle gegen mich geben könnte, aber die Sache mit der Sachbeschädigung lag schon 20 Jahre zurück. Also setzte ich mit einem provokanten "Oder nicht?" nach. Er ließ seinen Blick über mein Fahrrad schweifen, welches aber tiptop in Ordnung ist. Alle Bremsen gehen, alle Bleche dran, sogar Licht geht. War also nix zu holen. Also schaute er weiter scharf und meinte dann: "Dit ham wa ja jern. Erst gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen und dann hier Terror aufm Trottoire machen." "Terror?" antworte ich verwundert. "Jau. Terror. Diese janzen Terror Fahrer, die hier jeden Tach rücksichtslos mit ihre Fahrräder Senioren gefährden. Dit muss mal ein Ende haben". "Senioren???? Hier?" "Jaja. Is ja gleich die Scharitä um die Ecke." Er fuchtelte mit dem Finger in die ungefähre Richtung der ca. zwei Kilometer entfernten Charité. "Jetzt is ma Schluß mit dem Terror auf Torttoire. Deswegen sind wir hier." "Sie meinen, Fahrradfahrer sind so was wie die Bin Laden der Straße?" "Ähm.." "Sie sind außerdem wirklich der Meinung, ich solle mich wegen der StVO tot fahren lassen?" "Nein, nein. Sagen Sie ma, ham se mich gerade beleidigt?" "?????" "Also, nu is Schluss hier. Steigen se mal ab, ich kontrolliere jetzt mal ihr Rad."

Während er akribisch mein Fahrrad kontrollierte, konnte ich beobachten, wie andere Polizisten andere Radfahrer, die aus dem gleichen Grund wie ich wie den breiten Bürgersteig benutzen anhielten, und mir kam ein Gedanke. "Sagen sie mal," frug ich den bebilderten Bullen, "sagen se mal. Der Lieferwagen, der da seit zehn Minuten rumsteht, und der die halbe Strasse versperrt, und an dem sich seit 10 Minuten nichts tut und keiner zu sehen ist. Gehört der vielleicht Euch?" "Ihr Licht vorne ist lose." "Ich hab sie da was gefragt." "Ich könnte ihnen eine Mängelkarte ausstellen" "Ich find das schon komisch." "Auf jenau solche wie sie ham wir jewartet" "Ach, bin ich jetzt der Bin Laden aller Fahrradfahrer? Der, der geheime Ausbildungslager für Radfahrer finanziert?" "Also, jetzte reicht es aber. Sie zahlen jetzt fünf Euro. Oder sie kommen mit auf die Wache." "Wofür denn 5 Euro?" "Wegen fahren auf dem Bürgersteig." "Ich bin ja nur gerollt" "5 Euro oder mitkommen." "Aber nur gegen Quittung"

Machmal frag ich mich wirklich so spießige Sachen wie: Haben wir nicht genug Schwerverbrecher?

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