Montag, 7. Oktober 2002

Bad Honnef brennt

"Nein" sagte mein Vater. Ich machte mir wenig Hoffnung, das meine Eltern ihre Meinung revidieren würden. Ich war es auch selber schuld. Was erzähle ich einer Tochter eines Bad Godesberger Rathausangestellen, und dem Sohn der ersten Arztfamilie am Platze, dass ich gedenke auf mein erstes und vor allem dann auf dieses Konzert zu gehen. Es grenzte überhaupt schon an ein Wunder, dass die Band überhaupt auch nur in der Nähe der Bundeshauptstadt einen Auftritt plante. Mein Leben bestand zu der Zeit aus schlechten Leistungen in der Schule, dem Beginn der Pubertät, nächtlichen BFBS Sessions, und den ersten Anzeichen von Rebellion. Dabei waren es sogar meine Eltern schuld, dass sie mich überhaupt auf die Idee brachten, dass es etwas anderes als die Musik von WDR2 und SWF3 gab. Eigentlich waren sie es auch nur am Rande schuld. Viel mehr war es Walter Sedlmayer, der in seiner ARD Sendung "Sedlmayers Reisen" in einem Bericht über London auch mal ein Punkkonzert besucht und gefilmt hatte. Er stand da, dick, bramsig, bestens gekleidet auf einem Punk-Konzert und in mir formte sich folgende Gedankenblase: "Boah, was für kranke Leute." Pause "Man, das der sich da reintraut" (zur Info, ich war Abba, Village People, Didi Hallervorden gewöhnt, die nächtlichen Ausfälle von John Peel auf BFBS nahm ich zu der Zeit zum Anlass auf SWF3 umzuschalten.). Pause. "Also, das der da so einfach steht". Pause. "Müssen ja doch coole Leute sein, wenn die merken, das, obwohl der so aussieht, er doch das respektiert". Pause. "So ein Punk will ich auch sein."

Leider verbaten mir meine Eltern jeglichen Versuch, mit der neuen Ideologie des "Punk-Seins" die Toleranzgenze im Hause Dahlmann ein Stück weit nach oben zu verlegen. So wurden Versuche die Haare zeitgerecht zu formen ebenso abgelehnt, wie der Versuch ein fortschrittliches Styling der äußeren Erscheinung umzusetzen. Was blieb war die Musik, und der Wunsch auch mal auf ein Punkkonzert zu gehen. Der Wunsch schien 1981 in Erfüllung zu gehen. Leider fand das Konzert in Bad Honnef statt. Genauer gesagt im Kursaal von Bad Honnef, ein repräsantiver Raum, in dem die örtlichen Honorationen gerne irgendwelche Empfänge gaben. Was den Bürgermeister von Bad Honnef geritten hatte, den Jugendverband zu gestatten ausgerechnet die Dead Kennedys dort auftreten zu lassen, fragt man sich in der Kurstadt sicher heute noch.

Ich hatte also ein hübsches Problem. Das sah so aus: In Folge von an Betrug grenzenden Einsparungen der täglichen Busfahrkarten, des Taschengeldes und der Schlachtung eines Sparschweines hatte ich die exorbitante Summe von 15 Mark in eine Eintrittskarte für ein Dead Kenndys Konzert investiert. Das Konzert fand aber ungünstigerweise eben in Bad Honnef statt, quasi in Sichtweite von Bad Godesberg, nur durch den Rhein getrennt, aber eben auch durch eine Fähre, die nur bis 22.00 Uhr fuhr. Es mussten also jemand mit einem Auto her.

Das durchaus deutliche "Nein" meiner Eltern, das verstärkt wurde durch meine Blödheit ("Aber ich hab doch schon die Karte!" - "Dann erst recht nicht!") und der durchaus monopolitischen Stellung meiner Eltern, was ihre abendliche Freizeitplanung anging, war ich in einer sehr schlechten Lage. Ich sah meine Felle samt Eintrittskarte wegschwimmen, als meine Eltern abermals dem Schicksal einen Schubs gaben. Mein Jammern und Flehen wurde nicht erhört, im Gegenteil, man erging sich in höhnischen Äusserungen, die nur diejenigen machen können, die sich ihrer Macht- und vor allem automobilen Monopolstellung mehr als gewiss sind. Der Satz "Dann sieh halt zu, wie die da hin kommst", stachelte meine Phantasie an und vor allem mein strategisches Denken. Nach zwei unruhigen Nächten fiel mir ein: Da gab es doch einen Freund, dessen Bruder einen Freund hatte, der schon ein Auto hatte. Ich musste also nur mit dem Bruder sprechen und cool tun. Das Problem, das der Freund des Bruder meines Freundes, eventuell und vielleicht gar keine Lust haben könnte, ein obskures Konzert einer unbekannten Punk-Band zu sehen, kam mir nicht in den Sinn, wurde aber durch den Freund des Bruders meines Freundes innerhalb von 30 Sekunden ins Spiel gebracht. "Wat soll ich denn da? Pönk? Nääää" Es gelang mir jedoch unter zu Hilfenahme diverser Tricks (Ok, ich zahl den Sprit und Dir ein Bier und da gibts auch Frauen") den Freund des Bruders...etc. zu überreden. Tatsächlich gelang es mir auch meinen Eltern (ich hatte den Termin des Konzertes nie mehr erwähnt und mich einsichtig gezeigt; ja ich hatte sogar meinen Vater damit stolz gemacht, in dem ich behauptete, dass ich die Karte mit Gewinn weiter verscherbelt hätte) an dem Abend zu erläutern, dass ich auf einer Party sei, wichtig wichtig eingeladen, der Freund des Brudes des Freundes würde mich abholen und Punkt 24.00 Uhr wieder abliefern.

Wir betraten also den Kursaal von Bad Honnef. Ein Traum in Weiß, hohe, helle Sprossenfenster, alles sah sehr teuer aus, und ich bemühte mich in meinem roten "Fruitoftheloom" T-Shirt möglichst punkig auszusehen. Die erste Niederlage an dem Abend. Weitere sollten in loser Abfolge auf mich einprasseln. So zum Beispiel war das Punkmädel mit der Sicherheitsnadel in der Backe gar nicht so sehr an mir interessiert, wie ich zunächst dachte, und das, obwohl sie mir die ganze Zeit auf meine weissen Addidas starrte! Naja, etwas enttäuscht war ich ja auch. Eine schmale Bühne war das, ein paar Funzeln, die rotes und grünes Licht machten und vor allem frug ich mich, warum der Saal mit Stühlen ausgefüllt war. Sicherlich hübsche, schwarze Klappholzstühle, wie man sie in den Vorgärten von Bad Honnef öfter zu sehen bekam, aber warum man die ausgerechnet hier aufgestellt hatte, wollte mir nicht einleuchten. Wo soll man denn da Pogen? Ähnliche Fragezeichen sah ich in den Gesichtern der örtlichen Punks, nebst derer, die aus Bonn angereist waren, und die Szenerie spöttisch belächelten.

Setz ich mich halt, dachte ich. Um von dem Freund des Bruders..etc. sofort am Kragen wieder hoch gerissen zu werden. "Bist du jeck?" lautete seine Frage. "Nein, nur bequem" dachte ich, blieb aber cool. Irgendwann ging das Licht aus, ein paar Bonner Punks räumten die vorderen Stuhlreihen zur Seite und standen sich schon mal warm headbangend vor der Bühne. Musik gab es noch keine, ausser dem Drummer, der sein seine Drums testete. Das reichte aber anscheind, wie ich erstaunt feststellte. Dann kamen die Dead Kennedys und schrammelten los. Eine recht große Gitarren Wand erfasste mich, warf mich zwei Meter zurück, während Bassist und Drummer damit beschäftigt waren, meine Eingeweide zu malträtieren. Ich war begeistert und begann ein anderes Punkgirl lächelnd anzuheadbangen. Der Freund des Bruders des Freundes schien trotz der ca. 250 Dezibel keine größeren Probleme zu haben sich mit einer Frau zu unterhalten, allerdings war ich mir nicht ganz sicher, ob sie ihm zunickte oder headbangte. Ich wankte ein wenig herum, headbangte halbherzig weiter, die Cola in einer Hand haltend, und war sehr damit beschäftigt, das alles in meinem Hirn einzuordnen. Der Krach, die stacheligen Punks, der Bierdunst, das Licht und Yello Biafra, der sich langsam, aber stetig auszog, waren doch was viel zusammen.

Nach einer Stunde hatte ich mich dann eingegroovt. Ich headbangte schon recht ordentlich rum, der Freund des Bruders meines Freundes knutschte und ich war insgesamt, sehr, sehr glücklich. Dann brach die Musik ab und Yello Biafra hielt eine Rede. Ich verstand leider nicht allzu viel, aber der Freund...etc., hörte plötzlich auf zu knutschen und schaute sich nach mir um. Yello Biafras Laune schien sich ein wenig zu verschlechtern. Er hatte mittlerweile nur noch eine Unterhose an; so eine Marke Zehnerpack Woolworth mit seitlichen Eingriff, vorne allerdings mit deutlichen Gebrauchsspuren, die unter seinem Bierbauch gar nicht sooo schrecklich auffielen. Jedenfalls schrie er in sein Mirkophon. Irgendwas mit Kommunismus, und destroy und so. Dem Freund...etc. schien das nicht gefallen. Ich wurde auch etwas unruhig, als die ersten bösen Punks aus Bonn einen Klappstuhl zerschlugen, was den beunterhosten Biafra zu Gefallen schien. Er stieg von der Bühne, nahm einen Stuhl und schmiss ihn zu Boden, ergriff den nächsten und warf diesen in die hübschen Sprossenfenster des Kursaales, die protestierend zerbrachen. Sofort taten es ihm andere gleich, und die Klappstühle flogen in großer Anzahl und im hohen Bogen durch die Fenster. Rohe Gewalt! "Ups" dachte ich, fand es aber lustig. Der Freund...etc. allerdings nicht.

"Lass uns abhauen" meinte er, und sah recht panisch aus. Ich hatte keine Wahl, er zog mich in einem Anfall von Erziehungsberechtigungstum hinter sich her, während ich versuchte zumindest mein Cola-Glas in Richtung Bühne zu werfen. Wir rannten zum Auto, hinter uns landete die Inneneinrichtung des Kursaales auf der Wiese. Allerdings ertönten auch die ersten Polizeisirenen. Als wir im Auto sassen wollte der Freund...etc. direkt los fahren, aber RAF und "??? Fragezeichen" erfahren wie ich war, riet ich ihm einen Moment zu warten, bis die Polizei den Laden abgeriegelt hatte. Grandiose Idee! Dahlmann, der Checker! Der Ringfahndungsbrecher! Wir warteten also 10 Minuten, fuhren los, und landeten an der nächsten Kreuzung in der ersten Polizeikontrolle. Jetzt erwies sich mein "Fruitoftheloom" T-Shirt als perfekte Tarnung. Schwitzend meinte der Freund...etc. was von "Freund, meines Bruders, den ich nach Hause fahre", wir durften passieren und mein Vater musste mich nicht von der Polizei abholen. Ich war sogar schon um 23.00 Uhr zu Hause. Am übernächsten Tag war in der örtlichen Bonner Postille namens "General Anzeiger" auf den Lokalseiten ein Bericht über die "Gewaltorgie" in Bad Honnef. "Und da wolltest Du hin!," meinte meine Mutter, " und fuhr fort "Das siehste mal, wie gut es sein kann, wenn man auf seine Eltern hört".

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Kauderwelsch

Offenbar hat der Ameisenhügel gerade ein kollektives Schluckauf. Deswegen erscheinen hier, wie auf anderen Seiten, Javascriptkürzel. Oder auch mal gar nüscht. F5 drücken, dann wird alles gut. Meistens jedenfalls.


Nachtrag: Es ist gar nicht der Ameisenhügel. Es ist der Webwasher, welcher mir in der neusten Beta Version zugesandt wurde. Der filtert offenbar was viel.

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