Viel neues hat die Podiumsdiskussion des djv (siehe einen Eintrag weiter unten) nicht gebracht, die Standpunkte waren doch leider vorher schon zu klar. Die Streitigkeiten war vorhersehbar und leider ließ es der Moderator nicht zu, dass sich die Diskussionteilnehmer etwas mehr verzahnten. Immer wenn es spannend wurde, unterbrach er.

Jörges, Konken und dieser Prof. Densbach warfen ein, dass auch im Internet doch Qualitätsstandards herrschen müsse, auf die man sich verlassen kann. Natürlich ist Qualität etwas, was man gerne hätte, aber der Ruf danach kommt aus einer Branche, die es selber auch nicht sehr genau damit nimmt. Ein Blick an den Kiosk sollte da Klarheit verschaffen und ich glaube kaum, dass das "Neue Blatt" die "Gala" oder andere Blätter im Verdacht stehen, unter dem eingeforderten Qualitätsjournalismus zu leiden.

Was mir bei der Diskussion richtig klar geworden ist: Man darf nicht mehr den Fehler machen zu glauben, Zeitungen und Magazine seien im Sinne des klassischen Bürgers geschrieben oder gar dazu da, die freiheitlichen Grundrechte zu bewachen. Dass Blogs selbst in Deutschland in einem bescheidenen Umfang erfolgreich sind, hat auch etwas damit zu tun, weil sie genau diese Ecke besetzen. Weil die Autoren gesellschaftliche Veränderungen, die sie am eigenen Leib spüren, ungefiltert weitergeben können.

Nur ein Beispiel: Woher kam denn der enorme Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung? Woher kam die Organisation von Petitionen und anderen Dingen? Woher kamen die Artikel und die Recherche? Und wer hat das Thema so lange hoch gekocht, bis die klassischen Medien es dann auch mal wahrgenommen haben? Warum hat denn keine Tageszeitung, bis auf den "Donaukurier" eindeutig Position bezogen? Warum hat die "SZ", der "Stern" oder wer auch immer nicht das Thema demenstprechend angefasst, obwohl man als Redaktion wie als Journalist unter der Vorratsdatenspeicherung noch mehr leidet, als der normale Bürger? Warum hat man sich nicht offiziell an die Proteste angeschlossen? Vielleicht weil man Angst hatte, dass man keine Internviews in Berlin bekommt?

Das ist vielleicht der größte Unterschied zwischen der Zeitungslandschaft heute und den Blogs. Die Blogautoren haben keine Angst solchen Themen anzugehen und eine Entscheidung für oder gegen etwas zu treffen. Blogs besetzen keine Themen, sie nehmen nur den Platz ein, die der deutsche Journalismus vor längerer Zeit aufgegeben hat. Sie leisten da Widerstand gegen den Abbau der Bürgerrechte wo es nötig ist, und wo die Zeitungen und Verlage offenbar aufgegeben haben.

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Auf einer Podiumsdiskussion des DJV Berlin diskutieren gerade Hans-Ulrich Jörges vom Stern, Don Alphonso, Michael Konken vom DJV und Thomas Knüwer vom Handelsblatt über das Thema "Blogger und Journalismus". Der DJV hat vollmundig angekündigt, die Diskussion live ins Netz zu übertragen. Zu sehen bekommt bekam man aber lange nur das.

Besser kann man das Verständnis des klassischen Journalismus zu Blogs usw. eigentlich nicht darstellen. Das sagt ja eigentlich schon alles.

Abwesenheitsentschuldigung: Als man sich für die Diskussion als Zuschauer anmelden konnte, dachte ich, dass ich nicht in Berlin bin. Als klar war, dass ich hier bin, gab es keine Plätze mehr. Aber auch typisch, dass man sich anmelden muss, um hingehen zu können.

Update: Jetzt gehts es grade: www.djv.de

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Cem fragt, ob man sich mein Sozialverhalten durch das bloggen verändert hat.

Ich bin seit 1996 online. Kann also an lauen Abenden nach vier bis acht Bier mitreden, wenn Dinge wie "14er Modem" fallen. Wenn ich sehr betrunken bin, dann versuche ich sogar die Modempieptöne nachzumachen. Das Erste, was ich im Netz gemacht habe war: Andere Leute suchen. Damals gab es nur Foren (Wir hatten ja praktisch nichts! Es war immer Winter und wegen der hohen Telefonrechnung hatte man kein Geld für die Heizung und man musste sich am Modem wärmen!) die so aussehen, wie Parsimony Foren es noch heute tun.

Mein Sozialverhalten war schon immer eher mangelhaft. Ich bin nicht immer gerne mit Menschen zusammen, Menschenansammlungen meide ich großräumig, bei Konzerten habe ich schon immer hinten gestanden und wenn ich misantroph gelaunt bin, kann ich kaum jemanden um mich ertragen. Ich mag es alleine zu sein, und die einzigen zwei Lebewesen, die ich dauerhaft ohne Einschränkung um mich herum ertragen kann, sind das wunderschöne Mädchen und meine Katze. Ich finde Menschen nicht schwierig, aber ich finde es schwierig, dauernd Kontakt halten zu müssen. Meinen besten Freund kenne ich seit über 20 Jahren und er ist ähnlich wie ich gestrickt. Wenn wir uns also mal einen oder zwei Monate nicht sehen, ist das eher normal. Wir haben absolut keine Probleme nach längerer Zeit unser Gespräch genau da anzuknüpfen, wo wir Wochen vorher aufgehört haben. Solche Menschen trifft man ja nun eher selten, weswegen es auch nur einen gibt in meinem Leben.

Das Internet ist nun eine ganz nette Nummer für kontaktschwache Menschen wie mich. Man kann Kontakt halten, ohne dass man sich sehen muss. Und Blogs ermöglichen einen die neuesten Dinge zu berichten, ohne dass man reden muss. Ich mag es am Leben anderer auf diesen Weg teilzunehmen, ich mag es etwas von mir zu berichten. Ich mag es, dass ich das nicht am Telefon tun muss, denn ich telefoniere nicht so gern wenn es nichts dringendes ist und bin sowieso besser, wenn ich es aufschreiben kann. Ich brauche zu dem lange, bis ich zu jemand Vertrauen finde und Blogs sind wohl die beste Methode jemanden kennen zu lernen, ohne mit ihm zu reden.

Natürlich hat mir das Blog auch etliche geschäftliche Kontakte eingebracht. Das hat dazu geführt, dass man mich für die ein oder andere Sache als Autor oder Moderator verpflichtet hat. Das hat mein Arbeitsleben deutlich verändert. Ich verbringe im Schnitt pro Tag rund fünf Stunden mit der Recherche und dem Schreiben von Blogeinträgen, die Arbeit für dieses Blog nicht mit eingerechnet. "Mindestenshaltbar" sind auch rund 30 bis 40 Stunden im Monat Arbeit, das Racingblog (Non-Profit) rund eine Stunde am Tag, allerdings ohne die ganzen TV Übertragungen und sonstigen Recherchen. Manchmal kommt noch was für andere Publikationen hinzu, Konzepte, Telefonate und der übliche administrative Quatsch eines Freiberuflers. Manchmal kann ich einen Blogeintrag innerhalb einer Stunde schreiben, manchmal ist der Sprachbeutel leer, dann braucht man drei Stunden. Schreiben funktioniert halt nicht automatisch. Dafür habe ich aber auch das Glück, dass ich nur Blogs und Themen betreue, die mir außerordentlich viel Spaß machen.

Das bloggen hat mich auch im politischen Sinne bewusster werden lassen. Je häufiger die Verlage ihre Redaktionen nicht mehr unter journalistischen sondern unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten führen, desto mehr habe ich das Bedürfnis verspürt, dem etwas entgegen zu setzen. Dank vieler Seiten hat man heute mehr denn je die Möglichkeit, in seinem eigenen Rahmen am politischen Leben und an den Entscheidungsprozessen teilzuhaben. Der ganze Überwachungsquatsch, die Rechtslage bei den Abmahnungen, die Auswüchse der Rechteinhaber Industrie und deren Bekämpfung sind mir wichtig geworden, weil sie mein Rechtsbewusstsein verletzten. Und ich habe festgestellt, dass ich damit nicht alleine bin. Blogs und das Internet haben mich dazu bewogen, mir Gedanken über Dinge zu machen, die mich vorher nicht mal ansatzweise interessierten. Was auch daran lag, dass ich sie nicht wahrgenommen habe, weil sie in den Medien nicht stattfanden. Ich habe in den letzten Jahren mehr über das System "Journalismus" verstanden, als in den Jahren zuvor. Und ich sehe eine wage Chance, dass die Berichterstattung in den Blogs dem klassischen "Häppchen Journalismus" ein Ende bereiten werden. Wer gelesen werden will, der braucht gute Inhalte, wer nur "Klickstrecken" wie die SZ anbietet, wird (hoffentlich) bald untergehen.

Das Blog hier hat mir aber auch eine Menge neuer Kontakte gebracht. Allein die ganzen Berliner, die viel zu selten sehe (siehe oben) sind eine Bereicherung in meinem Leben. Wenn ich dann mal jemanden sehen mag, dann weiß ich, dass ich schnell jemanden finde, mit dem ich einen sehr schönen Abend bei Wein und Bier verbringen kann. Und das der Abend eine lange Nacht wird. Es gab etliche, wirklich unvergessliche Abende und Begegnungen und ich mag das unsichtbare Band, das mich mit einigen Menschen in Berlin und Deutschland verbindet. Die Blogs der Menschen zu lesen, die ich mag ist eine der schönsten Momente an jedem Tag. Und jeder Tag fängt auch zunächst mit den Blogs und Twitterupdates dieser Menschen an.

Aber die Änderungen im Freundeskreis und innerhalb des Arbeitslebens sind lange nicht so gravierend, wie die Änderung, die das wunderschöne Mädchen in mein Leben gebracht hat. Sie hat mein Leben umgekrempelt und ich bin jeden Tag froh, dass es sie gibt und das sie mir immer wieder etwas beibringt. Ohne dieses Blog, hätte ich sie wohl kaum kennen gelernt und würde immer noch auf der Suche der Sicherheit sein, die ich bei ihr gefunden habe.

Also Cem, ja, mein Sozialverhalten hat sich wohl nicht verändert, aber da hat sich einiges in meinem Leben durch mein Blog und durch das Internet getan.

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Im ersten Moment wollte ich mich ja ein bisschen empören über diesen SZ-Artikel, in dem mal wieder das aufgekocht wird, das in "Qualitätsmedien" halt gerne über die Blogszene so geschrieben wird. Von wegen: selbstgefällig, sind ja doch nur Strickblogs und "wo bleibt denn die Medienrevolution?". Aber ich habe, wie viele andere auch, schon so oft über das Thema geschrieben, dass ich keine Lust mehr habe. Irgendwann fühlt man sich entmutigt und als Sonderpädagoge habe ich noch nie getaugt. Zudem ist es auch langweilig, immer reflexhaft in die gleiche Kerbe zu hauen. Von wegen: "Aber wir sind doch gar nicht so doof! Ihr seid selber doof!".

Was mich immer wundert, ist die Tatsache, dass man Blogs immer so isoliert betrachtet. Allenfalls wenn es darum geht, Sätze zu schreiben, in denen die Begriffe "Blogs, Dreck und Terrorismus" vorkommen, findet man eine Verbindung zu anderen Dingen im Netz. Dass Blogs nur ein Teil einer Revolution sind, die seit einigen Jahren schleichend vor sich hinarbeitet, wird völlig vergessen. Man schimpft über Blogs, stellt seine Bilder aber weiter fleißig bei Flickr rein und nutzt p2p Börsen. Man freut sich darüber, dass das Netz ein riesiges Rechercheinstrument ist, verdammt aber die Arbeit, die Blogs dazu beitragen, in dem sie irgendwelche Archive anlegen oder mittels Links bei Google überhaupt erst bekannt machen. Es sind nicht (nur) die Blogs, die die Medien verändern, es ist das Netz. Und das Netz greift viel tiefer in unser Leben und Denken ein, als sich das so mancher Journalist offenbar vorstellen mag. Ohne das Netz, das wiederhole ich gerne immer wieder, hätte wir nicht mal den Ansatz einer Diskussion über die sog. "Sicherheitsgesetze" von Schäuble & Co. Ohne das Netz würden Ideen, wie die des Bürgergeldes nicht so schnell eine breite Öffentlichkeit gefunden haben. Blogs sind nur das momentane Transportmittel für solche Dinge. Und sie sind mittlerweile, im Vergleich zu social networks wie "Twitter" oder Bookmarkmaschinen wie "reddit" träge. Manchmal wirken Blogs in diesem Vergleich schon behäbig, wie eine Tageszeitung. Aber dann schaut man sich eine Tageszeitung an, und man kommt sich vor, als wäre die Dampfmaschine gerade erfunden worden.

Irgendjemand hat neulich mal geschrieben, dass das Internet eine genau so große Revolution darstellt, wie der Buchdruck. Als dieser im 15. Jahrhundert auftauchte, sorgte er vor alle dafür, dass Informationen weiter gegeben konnten. Vorher hab eigentlich nur wenige "Gelehrte", die Abschriften erstellten. Die meisten von ihnen saßen zudem in einem Kloster und waren ein wenig einseitig in ihrer Berichterstattung. Der Buchdruck veränderte den Informationsfluss. Ohne den Druck hätte es keinen Luther gegeben. Keine französische Revolution. Keine Aufklärung.

Das Internet ist nichts anderes. Es ist wie der Druck nur ein Instrument um Informationen zu verbreiten, aber das scheint bei vielen einfach noch nicht angekommen zu sein. Wie damals die Mönche sitzen viele Redakteure offenbar fassungslos vor dem Netz und müssen sehen, wie ihr Informationsmonopol langsam zerbröselt. Neuigkeiten verbreiten sich per Twitter schneller, als jede Webseite es könnte, Bilder sind weltweit schneller verfügbar und für Analysen gibt es mittlerweile (zumindest in den USA) brillante Autoren auf allen Seiten des politischen Spektrums. Redaktionen sind zumeist weit, sehr weit davon entfernt, überhaupt das grundlegende System des Netzes zu verstehen. CNN und die BBC haben einen eigenen Twitter Account, durch den sie "breaking news" blasen. Warum? Weil die Leute automatisch nach einer Meldung auf ihre Seite gehen. In Deutschland macht man sich über Blogs lustig und ist vermutlich zu arrogant sich mit so etwas wie Twitter zu beschäftigen.

Viele Redakteure und Journalisten sehen den Weltuntergang vor sich. Oder, wie Mario Sixtus in einer Kolumne im "medium magazin" (nicht online, haha) schreibt:

Das Internet hat die einstige Superkraft des Publizierens nun in rücksichtsloser Weise zum Allgemeingut degradiert. Und die vormaligen Superhelden, Journalisten und Medienmacher, reagieren auf diese für sie ungewohnte Situation mit Unverständnis, Überheblichkeit und Drohgebärden, immer wieder gerne angereichert mit einer großen Portion Kulturpessimismus: Hilfe, die Barbaren kommen!

Und deswegen rege ich mich über so Artikel nicht mehr auf. Es macht keinen Sinn mehr, gegen ein Denken anzurennen, das sich in schöner Regelmäßigkeit wiederholt. Ob Jörges oder Boie, die dahinter liegenden Ängste und Gedanken sind sich gleich. Warum also noch mal diskutieren? Die Journalisten und Redakteure, die sich gegen die Veränderungen der Gatekeeping Funktionen stellen, befinden sich in der guten Gesellschaft islamischer Schriftgelehrten im 15. Jahrhundert. Die versuchten die Drucktechnik in arabischer Schrift zu verbieten und so wurde das erste Buch in arabischer Schrift erst rund 50 Jahre nach der Gutenberg Bibel gedruckt. Islamische Werke durften erst noch später gedruckt werden. Bis dahin waren schon abertausende von Bibeln hergestellt und verteilt worden.

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Vorbemerkung: Ich hab den G8 Gipfel und die Berichterstattung zu großen Teilen im Netz und im Fernsehen verfolgt. Ich habe bei Tageszeitungen deren Webberichterstattung gelesen, die Holzausgaben habe ich weggelassen. Dadurch ist das, was ich schreibe, ein persönlicher Eindruck

Wenn es, neben dem Klima und Afrika, einen großen Verlierer des Gipfels gibt, dann sind das vermutlich die Tageszeitungen. Es ist überraschenderweise nicht Spiegel Online, sondern die SZ Online. Und auch das Fernsehen, vor allem RTL, hat gezeigt, dass man sich eher in Richtung "Fox News" bewegt, denn für das zu stehen, was man mit dem Privatfernsehen in den 80er Jahren mal verbunden hat: Liberales, nicht von Politik geprägtes Fernsehen.

Doch der Reihe nach. Die Katastrophe für die Tageszeitungen und deren Politik, dpa Meldungen ungeprüft auf die eigene Webseite zu stellen, ist hinreichend bei Stefan Niggemeier dokumentiert. (Teil Eins, Teil Zwei). Sie offenbart das grundsätzliche Problem moderner Redaktionen und des sog. "Qualitätsjournalismus". Die kleinen Zeitungen senden kaum mehr eigene Reporter zu solchen Ereignissen, sondern lassen sich über die dpa informieren. Das die dpa mal falsch liegen kann - bei der Masse an Meldungen, die dort täglich verarbeitet werden ist das nicht schön, kann aber passieren. Das man drei volle Tage braucht um die Meldung zu korrigieren ist aber eine journalistische Unverschämtheit. Dennoch würde ich der dpa nicht unbedingt den schwarzen Peter zuschieben wollen, denn für die Überprüfung einer Meldung, deren Einordnung und Bewertung, ist ja, so heißt es ja zumindest gerne, die Redaktion zuständig. Was aber nicht, bzw. nur selten passiert ist. Wie sehr sich die Redakteure auf die dpa verlassen, wird auch an diesem Artikel deutlich.

Auch die Meldung, dass es Polizisten gab, die innerhalb des "schwarzen Block" unterwegs waren, und angeblich zu Straftaten aufgerufen haben, tauchte auf den Webpräzensen der meisten Tageszeitungen entweder gar nicht, oder nur als kleine Meldung auf. Immerhin war hier die "Welt" schnell, die schon am 06.06.07 erste Berichte darüber auf ihrer Seite hatte. Nebst eines vielsagenden Bildes. Ansonsten wurde das Thema, bis heute, totgeschwiegen.

Völlig enttäuschend war die Berichterstattung der SZ-Online. Da gab es kaum etwas kritisches zu lesen und man konzentrierte sich fast vollständig auf den Gipfel, statt auf das drumherum.

Weiterer Verlierer: Das Fernsehen, vor allem das Privatfernsehen. Die ARD bliebt die ganze Zeit relativ kritisch distanziert, das ZDF balancierte zwischen Boulevard Berichterstattung über die "Chaoten" und regierungstreuer Erfolgsmeldung, während RTL völlig das Gesicht verlor und selbst die Abschlusserklärung, dass man einen Halbierung des CO2 Ausstoß bis 2050 in Erwägung zieht, wurde als toller Erfolg dargestellt. Dazu minutenlange Berichte über "Chaoten", selbst am Freitag, als es nur noch vereinzelt Auseinandersetzungen mittels Wasserwerfer gegeben hat. Das, was RTL da ablieferte erinnerte mich sehr stark an FOX News. Boulevardbilder, Jubelmeldungen und Kritiker wurden erst gar nicht zu Wort gelassen. Der Sender, dessen Bilder auch bei n-tv, RTL2 und Vox laufen, ist so weit nach Rechts gerutscht, dass ich mir ernsthaft Sorgen mache. Von einer fairen Berichterstattung war RTL soweit entfernt, wie ein nordkoreanischer Staatssender.

Großer Gewinner der letzten Woche sind die Blogs, allen voran das Blog der Tagesschau die einen ziemlichen Spagat gewagt haben. Einerseits gab es eine interessante Hintergrundberichterstattung über die Pressekonferenzen usw. andererseits waren viele Reporter auch "draussen" unterwegs und bewegten sich mit den friedlichen Demonstranten. Man war offenbar mutiger, als die Kolllegen vom NDR, wie man bei Netzpolitik nachlesen kann. Blogs haben mit ihrer Geschwindigkeit, Hintergrundrecherche und Bildern dafür gesorgt, dass Falschmeldungen aufflogen, prügelnde Autonome wie Polizisten entlarvt wurden und vor allem der Protest deutlich weiter im Vordergrund der Berichterstattung (positiv wie negativ) stand, als der eigentliche Gipfel.

Ich glaube, dass die Berichterstattung über den Gipfel und seine Proteste tatsächlich eine Zäsur für die meisten Medien darstellen. Blogs haben bewiesen, dass sie auch in der Masse durchaus kritisch und distanziert berichten können. Es gab die Möglichkeit der direkten Partizipation, aber es wurde auch nicht jede noch so merkwürdige Meldung sofort herausposaunt. Die meisten Blogs blieben wachsam, was vielleicht etwas damit zu tun hat, das da Autoren sitzen, die so medienerfahren sind, dass man sich auch im Bereich der Desinformation gut auskennt. Es ist schwer zu sagen, wie stark Blogs bei diesem Gipfel die Berichterstattung geprägt haben. Ich nehme mal an, dass der Spiegel durchaus die Blogs und deren Meldungen gescannt hat und seine Berichterstattung angepaßt hat. Die Medien, die das nicht gemacht haben, die sich nur auf die dpa verlassen haben und nicht mal einen eigenen Reporter vor Ort hatten, werden das gespürt haben. Und vor allem bei der nächsten großen Glaubwürdigkeitsdebatte zu hören bekommen.

Den schönsten Satz, rechtzeitig in der letzten Woche, hat aber das Bundesverfassungsgericht geschrieben. Offenbar der einzige Laden in Deutschland, in dem man sich noch um die Grundrechte schert.

"In der freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes haben Grundrechte einen hohen Rang. Der hoheitliche Eingriff in ein Grundrecht bedarf der Rechtfertigung, nicht aber benötigt die Ausübung des Grundrechts eine Rechtfertigung."

Zu finden war dieser Satz nicht in einer Zeitung sondern im Lawblog. Angesicht der Berichterstattung zum Beispiel bei RTL in der letzten Woche, sollte man das mit Goldfaden auf einen Teppich klöppeln und der Redaktion ins Büro hängen.

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