Mein Großvater hat immer gesagt, dass man, wenn man denn schon im Krankenhaus liegen muss, auf jeden Fall aufpaßen soll, dass man eine Krankenschwester bekommt, die rote Haare hat. Das wäre der Garant für eine schnelle und vollständige Genesung. Ich weiß nicht, wie er das meinte, aber mein Großvater hat noch lange von den "Karbolmäuschen" an der Westfront geschwärmt. Ich hatte mit roten Haaren so meine Probleme. Das einzige rothaarige Mädchen, dass ich jemals näher kennenlernte, war Charlotte in der zweiten Klasse, und Charlotte war äußerst doof, weil sie dazu neigte bei jeder Annäherung an ihre Haare sofort in Tränen auszubrechen, was vielleicht auch so eine Art Schutzmechanismus war, weil jeder, der ihren Haaren zu nahe kam, auch dran ziehen wollte. Meist war "jeder" ich, der ihren Haaren zu nahe kam, denn ich hatte einen sehr großen Spaß daran Charlotte dabei zu zusehen, wie ihr die Tränen aus den Augen sprangen. Es war irgendwann so eine Art Zwang getrieben von Faszination, dass ich jeden Tag mindestens einmal sehen wollte, wie sie Augen zusammenkniff und ungefähr drei Sekunden später Tränen irgendwo dazwischen rausschossen. Als Charlottes Eltern meine Eltern deswegen dann mal Abends besuchten, weil ihre Tochter mittlerweile nicht mehr in die Schule gehen wollte, wurde auch ich irgendwann befragt, aber ich konnte keine wirklich zufriedenstellende Antwort geben, da mir auch klar war, dass ich mit dem Argument "Neugier" nicht weit kommen würde. Ich mußte mich dann von Charlotte fernhalten, und vor allem mußte ich mein Suchtverhalten auf was anderes umlenken. Also hab ich rotthaarige Frauen mehr oder weniger vergessen.

In den letzten Jahren sind jedoch zwei Frauen aufgetaucht, für die ich meine eventuell immer noch vorhandenen Haare-Zieh-Zwang eventuell vergessen, oder doch zumindest als sexuellen Fetisch deklarieren könnte. Die eine ist Thea Dorn, die andere war Enie van de Meiklokjes. Das ist jetzt ein wenig peinlich, vor allem, wenn man weiß, dass sie einen eh schon sehr peinlichen Schlager irgendwann mal neuaufgenommen hat, aber mittlerweile moderiert sie irgendwas auf arte und immer wenn ich sie im Fernsehn sah, da dachte ich "Diese Grübchen!"

Neulich wurde mir aber gewahr, was eine gut ausgebildete Maskenbilderin zu leisten im Stande ist. Ich legte gerade meine Teltower Rübchen neben die Salami, als ich der Frau neben mir gewahr wurde. Sie sah von hinten nicht so dolle aus, was sehr an ihren Haaren lag. Armes Technomädchen, dachte ich mir, hat mal aus Lust die Haare rot gefärbt, jetzt mag sie nicht mehr, und deswegen sieht ihr Kopf so aus, als hätte der MissKitty Chefzeichner sein Pinselaufbewahrungstuschfarbenauswaschwasserglas über ihr ausgeschüttet. Aber dann drehte sie sich um, ein freundliches Lächeln huschte über ihr Gesicht, dass ich vom Fernsehn etwas anders im Kopf hatte und ich erkannte die Grübchen. Ich lächelte schief zurück und wand mich meinem Feldsalat zu, der in den Einkaufswagen gehoben werden wollte. Man sollte es verbieten, dass durch das Fernsehn bekannte Menschen ungeschminkt und in Hausklamotten in Supermärkte gehen. Minutenlang war ich damit beschäftigt die Bilder richtig einzuordenen, so dass ich am Ende vergessen hatte den Joghurt zu kaufen, weswegen ich dann später im Regen noch mal raus mußte.