Ein Blogportal muss her

Als die re:publica 07 letztes Jahr zu Ende ging, war ich schwer begeistert. So viele Blogger, so viel Medienaufmerksamkeit, so viele neue Ideen. Das kann nur aufwärtsgehen, dachte ich. Die Revolution steht vor der Tür und in einem Jahr ist alles anders. Einen Tag vor der re:publica 08 sehe ich das mittlerweile ein wenig anders. Wer interessiert sich noch für Blogs, außer Print-Journalisten auf der Suche nach einem Thema? Sind Blogs schon wieder altbacken und ziehen sich wieder in die Nische zurück, aus der sie gekommen sind?

Das ist, vordergründig gesehen, Quatsch. Mit Stefan Niggemeier ist 2007 erstmals ein Blogger als "Journalist des Jahres" ausgezeichnet worden. Die Berichterstattung im Rahmen des G-8 Gipfels und der Vorratsdatenspeicherung hat sehr viel im Bewusstsein der Leser bewirkt. Ohne die vielen Geschichten, Aufrufe und Verlinkungen in Blogs, wäre die Sache mit der Vorratsdatenspeicherung sicher nicht so hartnäckig diskutiert worden. Danke Heise, dank den Blogs steht die Sache jetzt auf der Kippe. Alles Super, also? Nur warum verlieren sämtliche Blogs seit Monaten laut Technorati an Verlinkungen und damit an Aufmerksamkeit? Warum gehen bei vielen die Leserzahlen runter, oder stagnieren zumindest?

Wenn ich mir die Zugriffszahlen hier anschaue, hat sich nicht viel getan. Pro Tag schauen rund 700 Leser rein, selbst wenn ich tagelang nichts schreibe. Wenn ich viel reinstelle und auch mal was Vernünftiges veröffentliche, schnellen die Zahlen auf 1200 hoch. Vor zwei Jahren lag der Schnitt etwas höher. Der Durchschnitt in den letzten, hier veröffentlichungstechnisch sehr mauen Wochen, lag bei 812 Besuchern pro Tag. Er lag mal, meine mich zu erinnern bei etwas mehr als 1200. An Spitzentagen kamen bis 4000 Besucher vorbei (Opel, Transperancy). In den deutschen Blogcharts lag ich lange so um Platz 20, jetzt bin ich, warum auch immer, auf Platz 80 oder so abgerutscht. Es interessiert mich allerdings auch nicht sehr. Nach der Hysterie der letzten zwei Jahre, als alle nur auf ihre Schwänze Zugriffzahlen starrten, hat sich eine gewisse Normalität im Blogsektor breitgemacht. Zumindest, wenn man sich die seit Monaten kontinuierlich sinkenden Verlinkungszahlen bei Technorati anschaut. Dabei ist die Zahl der Blogs, die in den letzten zwei Monaten aktualisiert wurde, durchaus stabil, wenn der Blogcensus richtig liegt. Stabil, aber wirklich weiter entwickeln sie sich nicht.

Woran liegt's? Sind die Leser weggelaufen und unterhalten sich jetzt nur noch in StudiVZ? Hat Don Alphonso recht und die User sind Scharen fortgeblieben, weil Blogs zu sehr mit den Mainstreammedien und der Werbung rumgespielt haben? Oder liegt es daran, dass Blogs einfach keine neue Sau mehr finden, die man durchs Dorf treiben kann? Oder fehlt es am Geld, damit Blogautoren auch endlich mal lange an einem Artikel sitzen können, ohne sich um die einlaufenden Rechnungen Sorgen machen müssen?

An mangelndem Interesse der Leser, neben den Mainstreammedien auch was anderes zu lesen, kann es meiner Meinung nach nicht liegen. Ich hab voriges Jahr im August den Versuch eines monothematischen Blogs gestartet, in dem ich das RacingBlog in die Welt gesetzt hab. Ich hatte, zusammen mit Ix, schon seit einiger Zeit bei blogg.de ein Motorsportblog geführt. Da Ix kaum Zeit hatte und ich bei blogg.de nicht so wirklich glücklich war, hab ich dann im August 07 auf eigener Domain relauncht. Ich wollte wissen, ob so ein sehr spezielles, sehr monothematisches Blog laufen kann. Richtig angelaufen ist es erst im September, als ich auch den Counter eingebaut habe. Nach sechs Monaten habe ich im Schnitt 750 Besucher am Tag, Spitzenwert war mit 2833 Besuchern der Start in die Formel Eins Saison am 16.03. Es geht also. Man kann ein neues Blog aufmachen, und relativ schnell eine vernünftige Anzahl von Lesern und Links zusammen bekommen.

Und wie ist das mit der Werbung? Wird kaum messbar sein, aber ich glaube nicht, dass Blogs, die hier und da mal ein Banner einblenden deswegen von ihren Lesern geschnitten werden.

Ein Teil des Problems im Moment liegt wohl an der Zersplitterung des Aufmerksamkeitshorizonts durch Microbloggingdienste wie Twitter, social networks wie Xing, StudiVZ etc. oder andere neue Technologien. Ich erlebe es ja an mir selber. Habe ich früher mit Menschen durch die Kommentare in Blogs Kontakt gehalten, nutze ich heute Twitter. Eine zentrale Sammelstelle wie Twitter ist durchaus praktischer für soziale Kontakte als Blogs, weil es schneller und unkomplizierter geht. Wenn Blogs aber ihre sozialen Verknüpfungen verlieren, weil ein Teil der Kommunikation woanders stattfindet, dann geht ihnen auch ein großer Teil der Inhalte und damit auch Leser verloren.

Ein anderes Problem: Blogs, ihre sozialen Verknüpfungen und der gesamte Blogkosmos sind derartig komplex geworden, dass es für Neueinsteiger einfach undurchschaubar geworden ist. Steigt man in ein social network ein, macht man das meist, weil man dort schon jemanden kennt und man hangelt sich dann weiter. In Blogs ist das etwas schwieriger. Dass Argument "Da finde ich mich ja nie zurecht" hab ich im letzten Jahr bei diversen Schulungen mehrfach gehört. Meine Frage, was man als neuer Blogleser gerne hätte, war dann meist: "Eine Seite, von der aus man starten kann. Eine Art Portal, dass mir jeden Tag eine Art "Best of..." bietet. So ein Angebot gibt es ansatzweise mit rivva, aber so richtig befriedigt mich das nicht. Es ist mir zu wenig redaktionell, zu indifferent in der thematischen Gewichtung. Was offenbar viele gerne hätten, ist gleichzeitig etwas, gegen das die Blogszene immer gekämpft hat: Back to the gatekeeping.

Tatsächlich denke ich aber auch seit langem, dass der deutschen Blogszene eine Art Portal fehlt. Eine Mischung aus "Huffington Post", "boingboing" und Startportal. Etwas, was man Lesern, die sich abseits der Mainstreammedien informieren wollen, als Einstieg bieten kann, das aber auf der anderen Seite der Blogszene eine Art Verdichtung bietet. Das Thema hatte ich mit Don Alphonso vor zwei Jahren schon mal besprochen und neulich noch mal Sascha Lobo. Das Problem war und ist damals wie heute: Geld.

Ein solches Portal müsste redaktionell geführt werden. Man braucht jemanden fürs Layout und für die Technik. Das kostet Geld. Was keiner hat. Es wäre im Prinzip eine verlegerische Entscheidung ein solches Portal mit den besten Blogautoren Deutschlands auf die Beine zu stellen. Dazu kommt aber auch, dass viele Blogautoren ihre Blogs mittlerweile semi-geschäftlich führen. Den eigenen Content auf andere Plattformen zu stellen oder einer parallelen Zweitverwertung preiszugeben ist dann schnell auch eine wirtschaftliche Frage. Die sich nicht stellen würde, wenn die Autoren für die Bereitstellung der Artikel auch etwas bekommen würden. Und wieder: eine Sache, die nur ein Mäzen bereitstellen könnte. Jemand der sagt: Ich will eine politische und gesellschaftliche Netzkultur bündeln und fördern.

Ob das in Deutschland möglich ist? Ich denke schon. Man könnte ein solches Portal jeden Tag mit interessanten Geschichten füllen und gleichzeitig wäre es auch ein Anreiz für Blogger, sich stärker mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen. Wenn man den Titel der diesjährigen re:publica, "Die Kritische Masse", aufgreift, wäre ein Portal nur die logische Konsequenz der Entwicklung der letzten Jahre. Statt weiter ausschließlich partikuläre Interessen zu verfolgen, könnten Blogs auf dem Weg noch leichter auch nach draußen vernetzt werden. Microblogging als social networking, bloggen als thematische Positionsbesetzung außerhalb der Mainstreammedien und gleichzeitig Anlaufstelle für all diejenigen, die in die Blogwelt einsteigen wollen.