Das ist eine indirekte Replik auf den Artikel von Herrn Shhhh, den man erst einmal lesen sollte, bevor man die folgenden Worte liest. Ich will ihn nicht angreifen oder was vom Krieg erzählen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Probleme von kleinen Bands, die in der momentanten Krise der Labels schlecht da stehen, etwas ist, was in der Vergangenheit nicht ungewöhnlich war. Es ist immer die Frage, wie man damit umgeht.

Liebe Musiker,

  1. Die bequeme Lage von Musiker, ein Tape eine CD zu machen, zu einem x-beliebigen A&R zu schicken und dann geht es schon irgendwie, weil die machen ja alles, hat nur ca. 1965 bis 2000 existiert. Das gab es vorher nicht und wird auch nicht mehr in der Form geben. Der Grund: Nur die ernormen, exorbitanten Gewinne der Labels machten es überhaupt möglich, dass man eine Art Kulturförderung entwickeln konnte. Es war völlig egal, wenn man sechs Bands drei Jahre lang ohne Erfolg gepusht hatte. Die siebte war dann ein Erfolg und holte die Kohle rein, die man vorher versenkt hatte. Das Gießkannenprinzip funktioniert nicht mehr, die Gründe dafür sind vielfältig und bekannt.

  2. Künstler sein ist kein Angestelltenjob. Das geht anderen Künstlern genauso. Man schreibt und malt jahrelang, machmal jahrzehnte lang umsonst und/oder am Rande des Existenzminimums. Das ist Teil des Schaffensprozesses. Akzeptiert das, oder laßt es und studiert was anderes. Ich male, arbeite, musiziere nicht für Geld, sondern weil ich es will und weil ich Spaß daran habe. Und diesen Spaß hab ich auch, wenn ich auf der Bühne stehe, egal ob ich dafür Geld bekomme, oder nicht. Der Rest der Welt ist mir wurscht. Punkt. Dazu gehört auch, dass ich mich bewußt dafür entscheide, dass ich halt anders leben muss, wenn ich meine Sache durchziehen will. Und ja, man kann gleichzeitig Musiker/Autor/Maler sein und mit was anderem sein Geld verdienen.

  3. Die bequeme Förderung durch die Musikindustrie in den 70er und 80er Jahren hat vieles im Bewußtsein der Musiker verändert. Lest Euch bitte mal die Biografien der Musiker durch, die vor der Förderungspolitik der Labels bis in die 70er Jahre hinein mit der Musik angefangen haben. Von mir aus von Beatles, den Stones, Pink Floyd oder wem auch immer. Wenn man das macht, stellt man fest, dass die Bands teilweise jahrelang unter verschiedenen Namen durch die Gegend getingelt sind, umsonst gespielt haben, kein Geld hatten und in den letzten Löchern wohnten. Lest Bukowski, Miller oder Stephen King. Sie alle haben teilweise Jahrzehnte hinter sich, die frustrierend, scheiße und völlig erfolglos waren. Lest über Picasso, und ihr werdet feststellen, dass er jahrelang hoch verschuldet in einer unbeheizten Pariser Wohnung lebte. Der Fall, dass einer wirklich so richtig gut war und sofort von seinen Sachen leben konnte, ist so selten, dass mir gerade nicht mal ein Beispiel einfällt.

  4. Die Musik hat heute Vertriebswege, von denen man vor 40 Jahren nicht mal träumen konnte. Die muss man nur nutzen.

  5. Die Musiker nutzen die Vertriebswege nicht. Ein Bekannter von mir, ehemaliger Chef der deutschen Abteilung von "Mute", arbeitete mal für einen Laden, der Ende der 90er die Idee hatte, all den A&Rs dieser Welt ein Portal aufzubauen, in dem sie nach neuer Musik stöbern können. Ausgesucht von den Portalbetreibern, mit einer Liste, was ihnen selber so gefallen hat. Da stellt sich mir 10 Jahre später die Frage: Warum macht ihr das nicht selber? Organisiert euch. Schafft ein Portal, und zeigt, wenn ihr denn unbedingt zu den Labels wollte, dass es Euch genau an der Stelle gibt.

  6. Der Niedergang der Labels in den letzten Jahren hat offenbar zur Folge dass es a) mehr Schrott gibt und b) man nicht mehr einfach mal ne Platte machen kann und schon ist man im gelobten Land. Auch gezielte Provokation haut nicht mehr hin, wenn sie keine Substanz hat. Der Manager von "Rammstein" ist knapp zwei Jahre mit einem Demotape durch die Gegend getingelt und es passierte nichts. Tim Renner hat sie genommen, weil er das Ding gut fand und weil man ihm ein schlüssiges Konzept vorgelegt hat. Erst dann hat man sich die Musik noch mal angehört, die Band in ein Studio in Schweden gesteckt, das musikalische Konzept geglättet und veröffentlicht. Jeder hat erwartet, dass Rammstein nach einer CD den Bach runtergehen, aber die Band war gut und klug genug die Schiene weiterreiten zu können und jedesmal ein wenig anders zu klingen. Dass sie letztlich zu 80% aus Ideen von Laibach und den Krupps bestanden hat eine andere Sache, aber sie haben es eben geschafft, es als ihre zu verkaufen. Noch ein Beispiel gefällig? H.P.Baxxter von "Scooter" hat lange in der Vertriebsabteilung bei "Edel" gearbeitet und Päckchen gepackt. Vorher hat er in Hannover mit Rick J. Jordan erfolglos Musik gemacht. Er hat jahrelang erfolglos Musik gemacht, nicht nur ein paar Monate. Baxxter hat mit seinem Tapes den damaligen A&R Jens Thele dann so lange genervt, bis sie eines Tages halt mal ne CD gemacht haben. Man kann von Scooter halten, was man will - sie sind auf ihre Weise unverkennbar und sich treu geblieben. Und haben 14 Millionen Alben weltweit verhauft. Was wollte ich eigentlich sagen? Achja, das war Zufall. Verlasst euch nicht auf den Zufall. Macht selber was und macht vor allem das, was ihr wollt. Nicht das, was vielleicht andere gut finden würden.

  7. Macht gute, orignäre Musik. Die US Band "Hayseed" hat kein Label, die machen alles selber. Und rufen ihre Fans auch noch dazu auf, dass sie auf Konzerten unbedingt Mitschnitte machen sollen, die sie dann bitteschön frei übers Netz verteilen sollen. Man kann darüber streiten, ob das, was die da machen, künstlerisch wertvoll ist, aber es ist a) orignell, b) handwerklich gut und c) interessiert es sie einen Scheiß, was andere machen. Sie machen halt ihr Ding. Feierabend.

  8. Es gibt seit Anbeginn des Radios grob geschätzt einen 10 Jahreszyklus, in dem sich Musik erneuert. Mitte der 40er Jahre war es der Swing, Mitte der 50 der Rock 'n Roll, Mitte der 60er der Beat/Rock, Mitte der 70er der Punk, Mitte der 80er Techno, Mitte der 90er HipHop. Es ist also mal wieder Zeit, dass was neues kommt. Bedeutet: seid kreativ. Und fangt wieder bei Punkt Eins an zu lesen.