Wenn man auf Partys erwähnt, dass man Freiberufler ist, dann wird man entweder mit dem Satz "Könnt ich, hätt ich keine Disziplin für" beworfen, oder jemand sagt "Toll, da kann man ja machen was man will." Sicher - Freiberufler zu sein hat sehr viele Vorteile. Aber ganz so gülden glänzt hier auch nicht alles:

  1. Man kann aufstehen, wann man will Stimmt. Es gibt keine Kollegen, die eifrig notieren, wieviel Minuten man zu spät gekommen ist und es an den Personalchef weiterreichen. Allerdings hilft es mir auch nicht weiter, wenn ich erst gegen Mittag vorm Rechner sitze. Die Kunden arbeiten in Büros und am besten erreicht man die Vormittags zwischen 10 und 12. Danach ist man gerne beim Mittagessen oder in Meetings. Also ist eingermaßen frühes Aufstehen angesagt.

  2. Man kann arbeiten wann man will Stimmt. Aber die Deadlines ändern sich deswegen nicht. Gerade wenn gleichzeitig mehrere Projekte betreut stellt man irgendwann fest, dass es besser ist, wenn man einen ziemlich festgelegten Tagesablauf hat. Regelmäßig zu erstellende Texte erledige ich vormittags, andere Dinge lieber später. Im Endeffekt landet man also wegen der Deadlines, der vielen Arbeit und der Menschen, die man deswegen hier und da anrufen muss bei einem normalen Arbeitstag, der morgens beginnt, und bei mir meist so gegen 19.30 Uhr aufhört.

  3. Man verdient mehr Man verdient als Journalist eh wenig. Man zahlt aber keine Sozialabgaben, ausser der KSK in meinem Fall. Dafür gibt es weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld. Man bekommt keine Gratifikationen wenn es mit einem Projekt mal gut läuft usw. Ich weiß allerdings auch, dass in der Medienbranche diese Dinge (bis auf Lohnfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall) diese Dinge selten geworden sind. Dazu kommt auch, dass die Auftraggeber die Texte zwar immer zackzack haben wollen, die Bezahlung aber eher schleppend ist. Ich hab noch das Glück, dass ich ein paar feste Auftraggeber habe, die eigentlich regelmäßig bezahlen. Drei bis vier Wochen Wartezeit ist aber normal, und gerade wenn man mit Agenturen arbeitet dauert es auch gerne mal länger. Vor ein paar Jahren habe ich mal für einen Autokonzern was gemacht. Ende November hatte ich alles abgegeben, Ende März kam das Geld. Kommt immer wieder vor.

Wenn man das Glas halbvoll betrachten will, dann ist das mit dem Dasein als Freiberufler so: Man hat selten ein arbeitsfreies Wochenende. Man wartet auf sein Geld. Man sitzt wie jeder Angestellte tagtäglich im Büro. Urlaub bedeutet doppelte Ausgaben: man gibt einerseits mehr aus als sonst, andererseits verdient man nichts in der Zeit und bis neues Geld reinkommt nach dem Urlaub vergehen im besten Fall vier Wochen. Wenn man ernsthaft krank wird verdient man nichts, aber die Kosten laufen weiter. Rente ist für Weicheier, man richtet sich darauf ein, dass man halt arbeitet bis man umfällt, was wegen der vielen Arbeit so spät eh nicht sein wird.

Aber das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Es gibt noch eine andere, und die ist auch der Grund, warum ich lieber als freier Journalist arbeite: Als festangestellter Journalist ist das Einkommen auch nicht sicherer, denn Redaktionen werden heute schneller verkleinert, als man "Einsparungspotential" sagen kann. Keine Kollegen. Meine Erfahrungen mit Arbeitskollegen sind bis auf einen Fall allesamt schrecklich. Man kann tatsächlich auch mal erst gegen Mittag arbeiten. Ich muss nicht um einen freien Tag betteln, wenn ich mal was erledigen muss. Niemand kann mir vorschreiben, welche Themen ich bearbeite. Selten sinnlose Profilierungsmeetings mit Excel Dateien an der Wand. Niemand protokolliert die Webseiten, die ich ansurfe. Ich hab einen Fernseher auf dem Schreibtisch. Wenn ich keine Termine in Berlin habe, kann ich auch mal eine oder zwei Wochen zum wunderschönen Mädchen fahren und von dort aus arbeiten. Ich kann wundervoll viele Bereiche bearbeiten, die mich interessieren. In meinem Fall reicht das von Literatur über Politik bishin zur Motorsport und Werbung. Ich kann zwischendrin so Blogeinträge schreiben.

Die Freiheit, dass ich in einem gewissen Rahmen, der eingeschränkt ist durch die üblichen Verpflichtungen wie Miete, Essen usw., entscheiden kann, wann und wieviel ich arbeite ist mir sehr viel wert. Dafür verzichte ich gerne auf manch andere Dinge, die das Leben eines Angestellten verbessern. Es ist nicht so, dass ich mir nicht vorstellen könnte, festangestellt zu sein, aber den Wegfall der mir wichtigen persönlichen Freiheiten würde ich mir sehr, sehr, sehr gut bezahlen lassen wollen.