Medien, auch Blogs, sind ja darauf angewiesen, dass die Leser das was man schreibt, auch glauben. Blogs haben aber gegenüber den Medien den immensen Vorteil, dass sie eine Selbstkorrektur haben. Schreibt ein Autor, dass 4 + 4 = 5 ist, wird relativ schnell ein Leser kommen, der auf den Fehler hinweist. Eine Richtigstellung ist also gegeben, und sowas nennt man Neudeutsch auch gerne "Schwarmintelligenz". Ein schönes Beispiel für diese gemeinsame Intelligenz ist auch das Projekt "Wikipedia". Trotz aller Versuche, Inhalte bei Wikipedia zu fälschen, gelingt es der Schwarmintelligenz am Ende die Oberhand zu haben.
Diese Form von Arbeit und gleichzeitiger Korrektur durch andere ist relativ neu. In den meisten Redaktionen gibt es sowas nicht. Was bedauerlich ist, denn wenn sich zum Beispiel RTL eine Kommentarfunktion leisten würde, dann würden die vielen Leser der RTL Aktuell Webseite auf der der Abschiedsbrief des Amokläufers von Emsdetten mit den Worten "Hier das Original (nicht korrigiert):..." angekündigt ist, sicher auch mittels eines Kommentars erfahren, dass der dort gezeigte Brief bei weitem nicht dem Original entspricht, wie das Blog Leckses Artikel mittels eines simplen Vergleichs nachweist. Auf der Webseite von RTL Aktuell wurde nicht nur ein großer Teil des Abschiedsbriefes einfach weggelassen (trotz des Hinweises, es handele sich um das Original) sondern es wurde dem Brief auch etwas hinzugefügt. Ist das der Qualitätsjournalismus, von dem Journalisten gerne sprechen, wenn sich von Blogs abheben wollen? Das der Brief unter den wachsamen Augen des mehrfach prämierten RTL Anchormans Peter Klöppel weiterhin zu lesen ist, macht die Sache noch widerlicher.
Wirklich wundern muss man sich darüber aber nicht, denn die meisten Medien schreiben gerne etwas in eine Richtung, von der sie vermuten, dass es die Meinung der Leserschaft reflektiert. Davon lebt eine ganze Industrie, genauer gesagt, die Yellow Press, die nichts anderes macht, als Sachen so hinzubiegen, dass man schreiben kann, eine monegassische Prinzessin habe mal wieder eine Krankheit / neuen Lover / Depressionen usw. Während man aber das Gehabe der Yellow Press mit einem belustigten Achselzucken unter "Kirmes Unterhaltung" abhakt, sieht das bei anderen Medien nicht so aus. Die Nachrichten in Zeitungen und besonders die verlesenen Agentur Meldungen in ARD und ZDF werden in Deutschland nicht angezweifelt. Sätze wie: "War in der Tagesschau" oder "Hat die Anne Will erzählt" sind gleichsam ein Gütesiegel für Wahrheit und Ehrlichkeit. Das die Moderatoren der "Tagesschau", der "Heute" Nachrichten und von "RTL Aktuell" auch nur das lesen, was Agenturen ihren liefern, und dass das, was die Agenturen liefern nicht immer dem entsprechen muss, was tatsächlich passiert ist, ist dann wieder eine andere, meist nicht gestellte Frage. Während bei einer Berichterstattung im Netz eine Behauptung nicht nur durch eine Agenturmeldung oder einem Eintrag in einem anderen Blog belegt sein darf, können sich die großen Nachrichten Medien auf ihren "Ruf" verlassen. Woher eine Meldung stammt, wird seitens der Zuschauer nicht hinterfragt, der Wahrheitsgehalt wird nicht überprüft, denn wenn es in die Nachrichten kommt, wird es ja wohl stimmen.
Dabei ist die Erkenntnis nicht unbedingt neu, dass man dem, was man so sieht und liest, nicht immer bedingungslos trauen kann. Wer zur Zeiten des Ost/West Konfliktes groß geworden ist, wird schon mehrfach bemerkt haben, dass nicht alles, was in der "Tagesschau" gesendet wurde, der unbedingten Wahrheit entsprochen hat. Eines des schönsten Beispiele für gelungene Propaganda ist die Kuba Krise aus dem Jahr 1962. Bekannt ist, das die UdSSR Atomwaffen auf der Insel stationieren wollte und auf der Druck der USA dieses Ansinnen ad acta legte. Weniger bekannt ist, dass die USA ihrerseits im Jahre 1959 Mittelstreckenrakete an sowjetisch-türkischen Grenze stationiert hatten. Die Reaktion der UdSSR war im Sinne der Abschreckungsdoktrin also nur logisch. Und am Ende war es auch nicht so, dass die USA durch die Kuba Krise einen Vorteil erlangt hatte. Man einigte sich darauf, dass die UdSSR ihre Raketen sofort wieder nach Hause brachte, während die USA die Mittelstreckenraketen aus der Türkei erst einige Monate später abzog. Im Grunde hatte die UdSSR mehr erreicht als verloren, aber dummerweise hatten sie die PR Schlacht wegen der zu früh gefundenen Raketen auf Kuba verloren. In der breiten (westlichen) Öffentlichkeit wurde der Abzug der US Raketen nie debattiert. Bis heute ist diese Tatsache eher unbekannt, was nicht zuletzt deswegen der Fall ist, weil die Medien dementsprechend berichtet haben.
Im Grunde sollte man gegenüber allen Medien skeptisch sein und bleiben. Das gesamte Geschehen auf der Welt wird durch wenige Agenturen zusammengefasst: AP, Reuters, AFP, ein wenig BBC und in Deutschland gibt es die monopolistische dpa. Das ist nicht wirklich viel, wenn man schaut, was so alles in der Welt passiert. Das enge Geflecht von wenigen Agenturen und wenigen anerkannten Nachrichtensendern muss eigentlich ein Traum für einflussreiche Lobbys und PR Firmen sein. Das Problem sind aber auch nicht die Agenturen alleine, sondern zusammen gekürzte Geschichten wie der Abschiedsbrief im "Original" bei RTL. Und wenn man bei solchen Dingen kürzt, dann liegt der Verdacht nahe, dass man dies auch bei anderen Meldungen macht. Ein verfälschter Abdruck eines Abschiedsbriefes im vorliegenden Fall hätte in der Blogszene keine fünf Minuten bestand gehabt. Bei RTL steht das Ding seit mindestens einer Woche unverändert falsch auf der Webseite und dient so sicher manchen als Diskussionsgrundlage.