Wenn ich sowas lese oder andere Berichte über das Thema "Grundeinkommen" entdecke. Wenn ich mir das Buch von Friebe und Lobo anschaue, dann keimt in mir der Verdacht auf, dass der Marxismus doch noch nicht so ganz tot ist, wie es lange ausgesehen hat. Allerdings scheint es sich nicht um den klassischen und vor ein paar Jahren mit Pauken und Trompeten untergegangenen Sozialismus östlicher Bürokratenprägung zu handeln. So wie es aussieht ist es etwas, was ich "Kapitalistischen Pippi-Langstrumpf-Marxismus" nennen würde. Ein "Ich mach den Marxismus wie er gefällt" Marxismus, kombiniert mit zwar, verstaubten, aber immer noch brauchbaren Liberalismus Krempel.

Was ich ja an beiden Ansätzen, also Grundeinkommen hier, ich arbeite wie, wann und für wen ich will da, interessant finde, ist der Wunsch, den regelwütigen Staat, vor allem dem Sozialstaat, in seine Schranken zu weisen. Da gibt es offenbar, und Ixens Beobachtung des Publikums scheint das zu bestätigen, eine ziemlich große bürgerliche Schicht, die sich aus mittelständischen Unternehmern und in der Gesellschaft angekommenen Spät-Hippies der 70er Jahre zusammensetzt, die nicht nur enttäuscht von der Handlungsunfähigkeit des Staates sind, sondern auch eingesehen haben, dass man wohl selber was tun muss, damit sich was ändert. Denn die Handlungsunfähigkeit des Staates und sein zielloses rumfummeln an den Sozialsystemen verfolgt zumindest der Westen schon seit Anfang der 70er Jahre. Wer sich auch nur eine Wiederholung einer „Tagesschau vor 25 Jahren“ anschaut, wird überrascht sein, wie sich nur die Gesichter, aber nicht die Worte verändert haben.

Auf der anderen Seite scheint genau dieser Ärger über die Politik dann auch so langsam bei deren Vertreter angekommen zu sein. Das gilt zum Beispiel für die Bereiche Strom, Gas und so weiter. Wobei der Aktionismus wohl eine Mischung aus praktischem Populismus und Frust ist. Denn die ehemals defizitären Staatsunternehmen werfen jetzt satte Gewinne ab, aber gleichzeitig sorgen die neuen Herren über Gas, Wasser, Strom auch dafür, dass die Strompreise seit 2000 um 35% gestiegen sind. (Quelle: Spiegel, Ausgabe 42). Und fröhlich weiter steigen. Warum auch immer. Jetzt erinnern sich viele Menschen (mich eingeschlossen), die in den 90er Jahren die Übergabe des Energiesektors an die Neocons befürwortet haben, dass die Energiepreise bis Ende der 90er Jahre trotz diverser Kriege und Ölkrisen und weniger Atomstrom aus Russland, ziemlich stabil gewesen sind, und Stromausfälle eine absolute Seltenheit waren. Und weil man nun laut nachdenkt drohen Manager der Energiekonzerne völlig unverhohlen dem Staat und dem Bürger damit, das Stromausfälle wie in den USA auch in Deutschland keine Seltenheit werden sollte sich die Politik nicht aus den Geschäften der Energiewirtschaft raushalten. Da regt sich wohl bei einigen Politikern mittlerweile der Verdacht, dass eine Staatswirtschaft, jedenfalls in wichtigen Kernbereichen, so schlecht auch nicht war/ist. Das Wort "Verstaatlichung" wird zwar nicht in den Mund genommen, wohl aber das Wort "Kontrollkommission", was der Grund ist, warum die Energiewirtschaft nicht nur verbal Amok läuft. Und wie ernst es einigen Politikern zu sein scheint, sieht man an der Ankündigung von SPD Fraktionschef Peter Struck, dass der Bund bei weitern Entlassungen bei der Telekom seinen Einfluss über die restlichen 30% Aktienanteile kräftig bemerkbar machen würde

Ich finde die Entwicklungen, zusammen mit dem Untergang der Neokonservativen Ideen in den USA, ziemlich spannend und ich vermute mal frech, dass das neue Jahrtausend auch neuen Antworten auf die in den letzten 30 Jahre angehäuften Probleme wird finden müssen. Denn mit den alten wirtschaftlichen, sozialen und staatsphilosophischen Ansätzen wird das wohl nix. Nebenbei: seit 150 Jahren hat sich ja grundsätzlich kein neues Staatsphilosophisches System mehr entwickelt, sondern man hat nur die bestehenden weiterentwickelt. Wäre ja auch mal wieder Zeit, dass sich die Regierungsformen ändern. Ob nun als Resultat einer Zusammenlegung von alten Idee, oder durch etwas völlig anderes. Mal sehen, was der Pippi Langstrumpf Marxismus noch so hervor bringt.