Weibliche und männliche Fußballfans, die «unscheinbar und unverdächtig sind» dürfen ohne Angabe von Gründen vor dem Stadionbesuch von der Polizei nackt ausgezogen werden.
In meinem RSS Feeds tauchte der Satz gestern schon mal auf. Wahnsinnig komisch, dachte ich, der Witz könnte von Mike Krüger kommen. Oder Kalle Pohl. Oder einem anderen Vertreter deutschen Humors, der sich seit den Filmen von <a href="www.imdb.com" target0"blank">Franz Muxeneder auch nicht so stark verändert hat. Dummerweise ist es aber kein Witz, sondern laut der Netzeitung wahr. Wollte ich trotzdem nicht glauben, also habe ich die Pressestelle des Verwaltungsgericht in Saarlouis angerufen. Die bestätigen das Urteil (pdf), das ich gleichzeitig auch bei Udo Vetter fand.
Ganz ernsthaft: wo leben wir eigentlich? Jetzt wird man schon öffentlich nackt ausgezogen, weil man "unscheinbar und unverdächtig" aussieht. Was kommt als denn da als nächstes? Muss eine Mutter, die ihren Sohn ins Fußballstadium begleitet, damit rechnen, dass sie sich erstmal ausziehen und auf Pyrotechnik im Hintern untersuchen lassen muss? Oder kommen Festnahmen in der Fußgängerzone nebst erkennungsdienstlicher Behandlung, weil man auffällig desinteressiert an dem Fenster eines Juwelier vorbei gegangen ist? Manchmal frage ich mich ernsthaft, wie lange es noch braucht, bis die vermeintliche Angst vor "Terror" und die damit verbundene Drangsalierung die Bürger sämtliche demokratischen Grundrechte ad absurdum führt. Aber das sind wir dann alle auch selbst schuld, denn wirklich wehren gegen den Abbau der Grundrechte will sich ja keiner.
Nachtrag: Das Verwaltungsgericht in Saarlouis nimmt in einer Pressemitteilung zu der Sache Stellung --> [Unhandled macro: param.text] (msword, 38 KB)
Besonders gefallen hat mir dieser Satz:
Würde man ausschließlich Hinweise verlangen, die den Schluss darauf ermöglichten, dass gerade die betroffene Person sicherstellbare Sachen mit sich führe, wäre ein effektiver Polizeieinsatz zur Sicherung der Gewaltlosigkeit der Veranstaltung nicht mehr möglich.
Wenn es nicht so traurig wäre, ich müsste lachen über den Irrsinn. Demnächst wird also nicht mehr vom Unschuldsprinzip ausgegangen, sondern prinzipiell ist jeder verdächtig, damit die Polizei effektiv arbeiten kann.
Noch ein Nachtrag: Toll auch, wie die deutsche Presse sich des Themas annimmt. Gibt man bei Google News "Saarlouis" ein, bekommt man zum Thema sechs Treffer. Nur drei davon sind in bekannten Medien (FR, N24, Netzeitung). Die "vierte Gewalt" nimmt ihre Aufgabe mal wieder besonders ernst. Die dpa Meldung und das Urteil sind zwei Tage alt.
Dritter Nachtrag, 09.06.06 Udo Vetter hat die betroffene Frau interviewt