Da ist sie also, die seit Monaten angekündigte, schon fast Sagen umwobene Blog Community vom Holtzbrinck Verlag. Bisher hatte der Verlag damit auf sich aufmerksam gemacht, dass man als einer der wenigen Verlage in Deutschland mit Blogs massiv rumexperimentiert hat. Das klappte mal gut (Zeit.de, Handelsblatt.de) oder auch mal gar nicht (Tagesspiegel.de), aber immerhin schien sich der Verlag intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Als ich im Februar hörte, dass ein "Experten Blogportal" entstehen sollte, dachte ich nur: "Ach, Du Schande." Das mit den "Expertenportalen" hatten wir doch schon mal, so gegen 1999/2000, als die Dinger wie Pilze aus dem Boden schossen und eben so schnell wieder verschwanden. Ich selbst war damals glaube bei zwei Portalen als "Experte" eingetragen, und man versprach, dass ich mir bald die Zähne vergolden lassen könne, denn die Menschen würden demnächst zu Millionen hilflos im Internet herum irren und weinend nach Rat suchen. Taten die Menschen aber genauso wenig, wie sich auf Webseiten zu verirren, die den Menschen an die Hand nehmen wollten und "guided Tours" durchs Internet anboten.

Und genausowas bietet der Holtzbrinck Verlag jetzt auch an. Man hat einfach nur einen neuen Namen für ein altes, sehr, sehr totes Projekt gefunden und es grafisch an das Jahr 2006 angeppaßt. Sie machen sich noch nicht mal die Mühe, das zu verbergen und der Untertitel des Portals "Hier sprechen Experten. Über Politik, Sport, Kultur, Unterhaltung, Technik, Reise und Leben." stammt wohl noch von einem Projekt aus der Schublade. Immerhin war man dieses Mal aber so klug, dass man den Autoren ein Honorar anbietet, anstatt darauf zu hoffen, dass sich die Experten schon von selbst einfinden. Wieviel man ihnen zahlt ist nicht so richtig bekannt, und die Zahlen, die ich hörte, schwanken zwischen 100 und 300 Euro. Im Monat. Je nach Popularität des Autors. Womit wir schon beim nächsten Punkt sind. Außer Jens Scholz und Dr. Michael Prang, den ich noch aus gemeinsamen Zeiten bei "Zeit Online" kenne, stach mir jetzt kein Name ins Auge, den ich aus der Blogszene kennen würde. Kann aber sein, dass es Autoren gibt, die lieber erstmal unter anderen Namen schreiben.

Inhaltlich können die als "Blogs" getarnten Expertenseiten auch nicht wirklich überzeugen. Die meisten Artikel bestehen aus Hinweisen zu anderen Webseiten, oder wie Kollege Ix bei sich schreibt, aus Hinweisen zu Artikeln, die demnächst woanders erscheinen. Die einzigen beiden "Blogs" in denen ich Content entdecken konnte, der zu 100% selbstgeschrieben und motiviert war, sind das Satireblog und das Glaubensblog, dessen Existenz ich allerdings ernsthaft begrüße. Allerdings: das Baby ist gerade frisch auf die Welt gekommen, da muss man erst mal abwarten, auch wenn ich es nicht verstehe, warum sich zum Beispiel um das Thema "Politik" drückt. Autoren hat man im Hause Holtzbrinck doch genug. Überhaupt: Warum hat man sich nicht aus dem Pool grandioser Autoren bedient, die man sowieso unter Vertrag hat?

Ex-Kress Chef Peter Turi, ist wegen des neuen Expertenportals auch dementsprechend aus dem Häuschen, und schriebt bei sich in den Kommentaren:

Wenn die mit Print-Werbung für ihre Blogs nur jeden tausendsten Leser zum Blogschreiber machen, dann sind das über tausend Autoren. Und wenn jeder zehnte Leser mal reinklickt, dann sind das hunderttausende Leser. Das ist eine mächtige Welle, die da kommen wird.

Wer da künftig Geld mit Blogs verdienen will, der wird es ohne Verlagspartner kaum schaffen, sich am Kiosk2.0 einen Platz zu erobern, der ihn überleben lässt.

Teil Eins der Aussage kennt man von nicht funktionierenden Schneeballsystemen und irgendwie habe ich das schon mal von den Leuten gehört, die damals die Expertenportale aufgemacht haben. Und Geld verdienen mit Blogs - hmja. Ich rechne es Holtzbrinck sehr hoch an, dass sie die Autoren bezahlen, denn das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung und es wird mögliche Autoren sicher motivieren. Und ich bin auch der Meinung, dass man als Autor eines Blogs nur über den Umweg eines Verlages vernünftig Geld verdienen kann. Aber sicher auch nicht auf diese Art. Auch mit 300 Euro kann man im Momat nicht leben. Und ob man überhaupt auf die Art und Weise Geld verdienen kann? Wenn man Menschen Experten nennt ein paar Informationen zusammenstellt?

Fazit: Ich bin etwasschwer enttäuscht von diesem Portal. Ich hatte, nachdem man beobachten konnte, wie der Verlag in den letzten 12 Monaten im Weblogsektor rumprobiert hat, erwartet, dass sie das Ding wirklich fett machen würden. Dass sie mit großen Namen und Themen die Blogs dazu nutzen würden, einen Angriff auf die meist eher langweiligen Onlineangebote anderer Verlage zu starten. Herausgekommen ist leider nur ein kleiner Versuch, eine eigene Blogcommunity zu starten. Kann gut sein, dass das klappt, dass sich tausende Menschen ein Expertenblog zu legen und über Fliegenfischen, Lacrosse oder die Päpste des Mittelalters schreiben. Mit Online-Journalismus hat das allerdings nichts zu tun.