Bachmannpreis, Tag zwei

Das fängt ja heiter an. Die ersten beiden Texte sind derartig langweilig, dass man sich fragt, wie man bei sowas wach werden soll. Außerdem scheinen Männnernamen mit L schwer in zu sein. Gestern Leander, heute Lennert. Es dauert sicher noch ein paar Klagenfurts, bis all die Lukas, Jannik und Nicos die heute noch im Prenzlauer Berg in die Sandkästen pinkeln eine Rolle in den Storys all der Leas, Hannahs, Leonies spielen.

Schlimm auch: Immer wenn die Frau Strigl sehe, muss ich summen: "Ich bin Schnappi, das kleine Krokodil".

Die Dame gerade mit dem Dutt und dem hübschen Akzent hat einen ganz okayen Text über eine (so hab ich es verstanden, aber das heißt ja nichts, wie ich gestern schon mal erwähnte) Misshandlung gelesen. Nicht so fernsehtauglich, sehr leise, sehr unbetont, sehr kompliziert. Spinnen bemängelt, dass Wahnsinnsdarstellungen große Tradition haben und behauptet, offenbar zur Überraschung der Autorin, das der Text ein Gedicht sei. So langsam macht er mir Angst. Frau Strigl meint, es gäbe eine Allergie, die es einem verböte Lyrik wahrzunehmen, während Frau Radisch die dauernde österreichische Jammerei auf die Nerven geht. Das wird sicher später noch am Büffet ausdiskutiert. (Männerhemd Strigl vs. Bluseimmerzueng Radisch)

Letzte Lesung nicht mitbekommen, weil (jetzt kommts) mich das wunderschöne Mädchen aus Südfrankreich anrief, wo die kreative Elite ihrer Branche gerade ihren Genpool verkleinert, und sich beklagte, dass sie a) schlimme Kopfschmerzen habe, b) es ihr schlecht sei, c) sie morgens um acht ins Bett gekommen sei, d) sie keinen Spaß haben würde, weil eigentlich alle blöd seien.

Ich füg nach freundlicher Bitte mal Uhrzeiten ein:

15:18 Uhr Anne Weber. Irgendwie geht es in dem Text gerade um Bohnen, deren Sprunghaftigkeit und Kapitalismuskritik. Ich verstehe das nicht, was aber nichts heißt. (siehe oben und überall) Wo steckt eigentlich Praschl?

15:50 Uhr DIe Jury begeistert sich über die literarische Aufarbeitung über Grossraumbüros, Gummibärchen und Schokoladenosterhasen, die irgendwas mit Platon zu tun, aber nicht intelektuelles an sich haben, denn, so Herr Ebel, an einem Schokoladenosterhasen kann nichts platonisches sein (Sinngemäß). Offensichtlich war das Mittagessen nicht so üppig. Das scheint sich ein neuer Favourit heraus zu schälen. Jetzt folgt eine hochdeutsch sprechende Südkoreanerin aus Österreich.

16:38 Uhr Zu Anna Kim kann ich leider nichts sagen, da ich mir zwischendurch ein Brot gemacht, auf den Balkon gegangen bin und dann völlig fasziniert dabei zugeschaut habe, wie eine Mutter gegenüber vorm Eisladen sehr lange ihr Kind zusammengeschissen hat. Burkhard Spinnen jedenfalls redet jetzt von Grabschändung, meint es aber positiv. Glaub ich. Engerer Favouritenkreis, oder sie wird bis morgen vergessen.

17:15 Uhr Klaus Böldl beschreibt eine Postkartensammlung der 70er Jahre, die Passau zeigt. Sehr maniriert. Sehr genau. Erinnert an den letztjährigen Gewinner Tellkamp. Leider gut, auch wenn es mich ein wenig langweilt. Aber alles sehr, sehr genau, sehr überlegt, aber auch nicht zu durchdacht. Aber (jetzt mal persönlich rumgemosert): Das sind so autistische Zustandbeschreibungen, die am Ende völlig inhaltslos bleiben, weil sie eine langweilige Postkartenbeschreibung eines manisch Ordnungsliebenden sind, der T-Shirts auf Kante faltet. Er beschreibt einfach sehr genau Passau und gerade eine Kirche. So ähnlich wie die 200 Seiten Altarbeschreibung bei Umberto Eco. Hab ich auch überschlagen. Das es der Jury gefallen wird, weiß ich nicht. Allerdings hat es nicht das Tempo von Tellkamp, nicht diese Handlungsstränge etc.

17:38 Uhr Radisch: Man kann Passau einfach nicht so toll finden, dass man das aushält. Strigl hat ihn ebenfalls runtergemacht, desweiteren (überraschenderweise) Frau Rakusa. Sozialoberpädagoge Sozialkundelehrer Kritiker Ebel sagt was nettes, um direkt hinterher zu hängen, dass es zu genau ist (huch?). Detering, der Böldl vorgeschlagen hat, ist natürlich verzweifelt und bietet an, dass man ihn für ästhetisch unzurechnungsfähig halten könne, aber der Text sei unprätentiös (huch?). Das wäre ein schöner Schlußsatz, aber er redet weiter. Mal sehen was Spinnen sagt. Auf jeden Fall bisher der härteste Verriss des Tages. Überraschend. (Ich kann das schreiben, weil Detering immer noch erklärt)

17:44 Uhr So. Spinnen. Sieht beim sprechen so, als hätte er in einen faulen Apfel gebissen. Findet das alles zuviel, wie auch Nüchtern und März. Doch kein Favourit, da kann Detering am Sonntag nominieren wie er will.

Das war ein echt schwacher Tag, textlich gesehen. Gestern waren mit Heinrich, Schoch und Balkow deutlich bessere Texte am Start. Allerdings hat Anne Weber bei der Jury einen ziemlich guten Eindruck hinterlassen. Ich lehn mich mal aus dem Fenster und tippe mal die Reihenfolge der Jury Favouriten, die die vier Preise unter sich ausmachen könnten. (Ich lieg normalerweise immer völlig daneben)

  1. Anne Weber
  2. Natalie Balkow
  3. Julia Schoch
  4. Gerhild Steinbuch

Nur noch sechs fünf Stunden vier drei zwei eine Lesungen. (Das spannende sind eh die Diskussionen)

P.S.: Ach ja, du dämlicher DHL Bote. Ich saß ab heute 09.00 Uhr am Rechner. Du hast um 11.40 Uhr einen Paketzettel in meinen Briefkasten geworfen. Du musst, um an meinem Briefkasten zu kommen, ins Haus rein. Dafür musst Du klingeln. Warum Du nicht bei mir geklingelt hast, ist mir ein Rätsel, dass ich ab morgen klären werde, in dem ich mir erst die Adresse der Zustellbezirksdingens geben lasse, um danach mal schriftlich anzufragen, ob es seit neustem nicht mehr zum Porto gehört, das die Pakete, auf die man dringend wartet, nach Hause geliefert werden, bzw. ob es nicht mehr zur Grundausbildung eines Paketzustellers von DHL gehört eine Klingel bedienen zu lernen.