Aus einem Aufruf von Schriftstellern aus dem Jahr 2006, der sich gegen das Verbot des Romans "Esra" von Maxim Biller wendet.

Es wäre der Ruin der Literatur, es wäre der Bankrott der Kunstfreiheit, wenn künftig jeder, der sich in einem Werk der Fiktion wiederzuerkennen glaubt, auf Schadensersatz klagte. Statt der Lektoren wären die Anwälte die ersten Gegenleser, statt um Qualität ginge es nur noch um Unangreifbarkeit. Wer ein Buch veröffentlichte, riskierte den Ruin. Und die Literatur, die wäre der Schädling, welchen man bekämpfen muss. Unter solchen Bedingungen hätten weder ¸¸Die Leiden des jungen Werthers" noch die ¸¸Buddenbrooks" erscheinen können.

Heute hat das Bundesverfassungsgericht, wie alle anderen Gerichte vor ihm, das Verbot des Buches bestätigt. Ein fiktionaler Roman, der auf den Identitäten zwei Menschen basiert, mit denen Biller mal verbandelt war. Das Urteil ist eine Katastrophe und nach dem Stolpe Urteil der nächste Schlag gegen die Meinungsfreiheit in Deutschland. Nach dem die Pressefreiheit zugunsten des Persönlichkeitsrechtes schon ausgehöhlt wurde, ist es jetzt die künstlerische Freiheit, die eingeschränkt wird. Wer sich in Zukunft meint in einem Roman wieder erkennen zu können, der kann nun erstmal fleissig klagen und eine Veröffentlichung verhindern. Egal wie absurd der Vorwurf auch sein mag.

Die halbe Weltliteratur hätte unter diesem Gesichtspunkten nicht erscheinen dürfen. Und das im einem Land, dass außer seiner Literaturgeschichte wenig hat, auf das es in den letzten 200 Jahren stolz kann. Es wäre schon schlimm genug gewesen, wenn die beiden Klägerinnen ihre Schadensersatzforderung durch bekommen hätten, aber das Bundesverfassungsgericht hat das Buch endgültig verboten. Das muss man sich mal vorstellen: Verboten. Einen Roman. Nicht eine Aufforderung zum Umsturz, nicht ein lobhudelndes Buch über Nazis, keine politische Enthüllungsstory, die auf Lügen aufbaut - nein man hat einen Roman verboten, der sowieso erst seine Aufmerksamkeit bekommen hat, nachdem das erste Verbot ausgesprochen wurde.

Bücher, schon gar nicht Romane, verbietet man nicht. Man verbrennt sie schließlich auch nicht. Ein Land, dessen Rechtssystem nicht begreift, dass man bestimmte Bereiche der Freiheit nicht antasten darf, macht mir einerseits Angst, andererseits macht es mich wütend.

Würde ich über das pdf oder das Ebook des Buches in Internet stolpern, ich würde es verlinken und weiter verteilen. Nicht, weil ich ein besonderer Fan von Maxim Biller wäre, sondern weil ich es erschütternd finde, dass man mal wieder Bücher verbietet.