Meine Großmutter war Ärztin und sagte immer gerne, dass ein Großteil der Erkrankungen, die man sich so als Zipperlein im Leben einfängt, meist eher psychosomatisch sind. Irgendwas läuft schief im Leben und der Körper schickt einem Warnsignale, die man irgendwann nicht mehr überhören kann. Dann ist man gezwungen eine Pause einzulegen, raus aus dem Alltagstrott, rein in die Rekonvaleszenz, bei der man tagelang auf dem Sofa rumgammelt und irgendwann nachdenkt. "Die meisten Dinge," sagte sie gerne, "geschehen nicht ohne Grund und meist hat man noch das Glück, dass sie zu einem Zeitpunkt kommen, an dem man was ändern kann."

Ich habe darauf natürlich, wie viele andere auch, nicht gehört. Warum auch, man ist ja unzerstörbar. Damit bin ich das erste Mal auf die Schnauze gefallen, als ich 32 Jahre alt war. Nach ein paar ungesunden Jahren in der Musikbranche, nach viel Ärger im Job mit widerlichen Kollegen und einer desaströsen Beziehung, die auch deshalb desaströs war, weil ich nicht wußte, was ich da gerade machte, nach diversen Migräne Attacken (ich hab nie Kopfschmerzen) klappte ich dann einfach zusammen und kündigte in einem hellen Moment meinen Job und nahm den Resturlaub der letzten zwei Jahre. Danach ging es im rasenden Tempo bergab und ich brauchte ein halbes Jahr bis ich wieder aus meiner Wohnung auftauchte. Nur um nach ein paar Wochen wieder im gleichen Trott zu sein. Was weitere 15 Monate später dazu führte, dass ich abermals auf die Fresse fiel. Diesmal aber richtig

Immerhin habe ich dadurch ein paar Dinge eingesehen. Dass ich nicht für Festanstellungen gemacht bin. Dass ich deutlich sensibler bin, als ich es selber wahrhaben wollte. Dass ich auf mich acht geben muss. Dass ich mein Geld mit nichts anderem mehr verdienen will, als mit dem Schreiben oder anderen kreativen Dingen. Dass ich Zeit zum Leben brauche. Das es sehr ungesund ist, Dinge zu machen, die man eigentlich nicht mag.

Das eigene Leben neu zu justieren ist keine leichte Aufgabe. Wahrscheinlich braucht man dafür auch mal einen kräftigen Niederschlag. Ich habe tatsächlich einen Umzug und mindestens drei weitere Jahre gebraucht, um überhaupt zu verstehen, in welche Richtung mein Leben gehen soll. Ich hatte ein Gefühl, aber keine Ahnung. Und komischerweise hilft einem das Denken dabei überhaupt nicht weiter. Wenn man nicht weiß, was man sich vorstellen soll, schwirren die Gedanken auch nur hilflos zwischen den Trümmern des alten Lebens rum und sagen doofe Dinge wie "Ach, so schlimm war es doch auch nicht." Das, was man vom Leben haben will, fügt sich offenbar dann zusammen, wenn einen Wunsch verspürt und den Mut hat, dem nachzugehen. Ich sehe das immer wieder, gerade auch bei meinem ältesten Freund, der nicht so böse auf die Nase fallen musste wie ich, aber der letztlich auf einem anderen Weg auch die Erkenntnis gemacht hat, dass es viel wichtiger ist, eine Arbeit zu haben, die einem Spaß macht, als eine, die letztlich nur eine Tretmühle ist.

Und scheinbar habe ich auch den richtigen Weg eingeschlagen - mit Abstrichen. Mein gebrochener Fuss ist eine Warnung in der Richtung, dass ich es mit der Arbeit nicht übertreiben soll. Dass ich Pausen machen muss, um nicht völlig auszubluten, dass ich mir Zeit nehmen muss, damit ich das, was ich gerne mache, nicht zu einem Automatismus wird. Ich hab die letzte Tage eine deutliche Pause eingelegt, und das hat auch gut getan. Aber gleichzeitig habe ich auch gemerkt, das mir die Arbeit nach ein paar Tagen fehlt, weil sie mir Spaß macht. Ich vermisse tatsächlich das Schreiben und all die Dinge, die damit zusammenhängen. Ich muss aber offenbar lernen, mein Zeitmanagement besser in den Griff zu bekommen. Und mal wieder mit dem wunderschönen Mädchen in den Urlaub zu fahren.