Wie viele wissen, schreibe ich für die Welt Debatte seit Februar ein Weblog zum Thema Fernsehen und Internet. Natürlich habe ich die Geschichte um die Löschung des Artikels von Alan Posner mit verfolgt, konnte mich aber bisher nicht zu einer Stellungnahme durchringen, weil ich mir einfach nicht sicher war, wie ich zu dem Thema stehe. Thomas Knüwer gibt auch meine Meinung teilweise wieder. Ich fand den Artikel von Posner mindestens grenzwertig. Dabei geht es mir nicht um den Inhalt, sondern um die Art und Weise, wie er geschrieben hat. Der Stil war schlecht, die Beschimpfungen überflüssig. Jeder Eintrag der "Titanic" zum Thema "Bild" hat mehr Witz, ohne gleich den ganz großen Holzhammer rausholen zu müssen. Wie sagte Karl Kraus mal so schön: "Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten."

Nun regt man sich über das Interview von "Welt Chefredakteur" Christorph Keese auf. Der sagte in einem Interview mit der SZ:

Blogs sind private Tagebücher, professioneller Journalismus besteht aus der Kombination von Schreiben und Redigieren. Im Journalismus gibt es keinen Einhandbetrieb, sondern Autoren, die Texte schreiben, und Redakteure, die Texte bearbeiten, oft in einem vielstufigen Verfahren. Erst dadurch entsteht professioneller Journalismus.

Im ersten Moment fiel mir die Kinnlade runter, weil dadurch angedeutet wird, dass Blogs eben nicht den viel zitierten "Qualitätsjournalismus" liefern können. Das Gegenteil beweisen aber "Spreeblick", "Netzpolitk", die "Blogbar" und viele andere mehr. Diese Aussage und viele andere sind, aus Sicht aus eines Bloggers, schwer nachzuvollziehen.

Man sollte aber nicht vergessen, dass die Aussagen von einem Mann kommen, der neben der normalen Redaktionsochsentour (Henri-Nannen-Schule usw.) auch lange die wirtschaftlichen Aspekte eines Verlages (Gruner & Jahr, Financial Times Deutschland) mitbekommen hat. Da redet eben kein Quereinsteiger, keiner, der das Schreiben als seine Hauptaufgabe sieht, sondern jemand, der die Abläufe einer Redaktion unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sieht. Dazu noch jemand, der eine journalistische Ausbildung in den 80er Jahren absolviert hat.

Ich stimme vielen Aussagen nicht zu, aber gleichzeitig sieht man auch, wie Verlage die "Medienrevolution" im Netz sehen. Denn Springer steht damit absolut nicht alleine in der deutschen Verlagswirtschaft. Während anderswo der "Open Source Journalismus" so langsam begriffen wird, steht man in vielen Managementetagen dem Phänomen offenbar völlig hilflos gegenüber. Man probiert ein wenig rum, und so bald es heiß wird und mal Reibung gibt, bemüht man sich mit althergebrachten Mitteln das Problem zu lösen. Wie schwer es aber schon heute ist und welche Macht das Internet, selbst das kleine deutsche Blogdorf hat, hat man in den letzten Monaten und auch in dieser Geschichte wieder sehen können.

Das zweite Problem ist die Grenze zwischen objektiven "klassischen" Journalismus, so wie ihn nicht die Redaktion der "Welt" sondern auch viele andere verstehen, und dem subjektiven Bloggen. Nach Ansicht vieler Redakteure und Journalisten passt das nicht zusammen. Auf der anderen Seite stehen viele Blogger, darunter auch ich, die sagen: Aber sicher geht das zusammen. Das geht sogar ganz gut. Das ganze Problem des klassischen Journalismus wird in einem Satz vom Chefredakteur der "Welt" zusammengefasst.

Es bringt nichts, seine Persönlichkeit spalten zu wollen in den professionellen Journalisten und den einsamen Wolf, der im Alleingang bloggt.

Besser kann man das Problem nicht beschreiben. Wenn ich in einer Zeitung einen Bericht lese, dann erwarte ich, dass dieser auch die Meinung desjenigen widerspiegelt, der den Bericht geschrieben hat. Die Problematik des modernen Journalisten, dass er nicht das schreiben und sagen kann, was er gerne will, sollte eigentlich nicht existieren. Sie ist aber da, nicht nur bei Springer, sondern bei allen Verlagen, die mit Anzeigen Geld verdienen. Und da könnte auch einer der Hauptgründe liegen, warum so viele Leser ins Internet verschwinden. Es ist nicht nur die Bequemlichkeit, sondern auch die Tatsache, dass man in Zeitungen und Magazinen nur noch in Ausnahmefällen mit einer konkreten Meinung konfrontiert wird.

Da tut sich ein großer, kaum überschaubarer Graben auf. Blogger stehen auf der einen, Journalisten und Chefredakteure auf der anderen. Und beide Seiten verstehen nicht, wie man auf die jeweilige Art und Weise arbeiten kann. Auf der einen Seite der klassische Redaktionsjournalismus, der noch aus einer Zeit stammt, in der der Beruf des Journalisten ein gefährlicher war, und man nur dann sicher arbeiten konnte, wenn eine Redaktion und ein Verlag hinter einem standen. Auf der anderen Seite die Blogger, die die Kommunikationsinstrumente des Journalismus mittlerweile genauso beherrschen, und die Gatekeepingfunktion des Journalismus (zu Recht) in Frage stellen. Aber ich glaube, dass das Problem nicht der Journalismus als solcher ist, sondern die Art und Weise, wie man mit ihm Geld verdienen will.

Und gelöscht wird immer. Johnny hat beim "Spreeblick" vor einigen Monaten auch mal einen Artikel runter genommen, ich habe in diesem Blog auch schon Einträge erheblich nachbearbeitet und ein paar auch offline gestellt. Bisher hat man es halt nicht gesehen, wenn ein Artikel nicht erschienen ist, denn er landete einfach im Papierkorb. Redakteure beim "Stern" oder beim "Spiegel" kommen teilweise nur auf eine Druckquote von 30% oder 40%. Bedeutet: 60 bis 70% der geschriebenen Artikel kommen, aus welchen Gründen auch immer, gar nicht oder nur sehr verstümmelt ins Heft. Zensur gibt es aus den unterschiedlichsten Gründen. Nur ein Beispiel: Ich habe schon ein paar Dinge drüben im Abmahnblog und auch hier deswegen nicht geschrieben, weil ich eine Abmahnung befürchten musste. Die Zensur, die vom Abmahngesetz ausgeht, ist weitaus größer, als jene, die durch Redaktionen oder deren Leiter in Deutschland ausgeübt wird. Es fehlt in Deutschland ganz klar eine gesetzliche Untermauerung der Redefreiheit, wie sie in den USA existiert. (Sehr lesenwert hierzu die Erläuterungen bei "USA erklärt" in drei Artikeln: 1., 2., 3.)

Wenn es in Posners Eintrag nicht gerade um Diekmann gegangen wäre, hätte man vermutlich wenig Notiz davon genommen. Aber weil der Bild Chef eben so, sagen wir mal, polarisiert, und weil die Anzahl seiner Fans unter Bloggern wohl sehr überschaubar ist, hat es den Aufruhr gegeben. Aber die Hysterie um diesen gelöschten Eintrag kann ich, wie oben erwähnt, nicht nachvollziehen. Weitaus interessanter ist die Diskussion um die Arbeitsweisen von Redaktionen und Journalisten, die sich aus den Aussagen von Christoph Keese ergibt.

Wir müssen als professionelle Medien eine Haltung zu Blogs entwickeln, und die Debatte darüber steht noch aus. Blogs haben ihre Berechtigung und sind eine Bereicherung des Internets. Aber sie stehen für etwas ganz anderes als wir.

Dieses "andere" ist es, was den Verlagen deswegen Kopfzerbrechen bereitet, weil das neue Verständnis des "Open Source Journalismus" noch nicht in den Redaktionen und schon gar nicht in den Managementetagen angekommen ist. Die "Welt" hat den Mut gehabt, als Erste eine Debatten Plattform zu eröffnen, und sie sind damit auch die ersten, die lernen müssen, wie die Verzahnung von Blogs, Subjektivität und klassischen Redaktionsverständnis funktionieren kann.

Und um das klarzustellen: Mein Blog wird nicht gegengelesen. Es werden die Blogs der bei der "Welt" angestellten Redakteure gegenzulesen. Ich stelle meine Einträge weiterhin direkt online, die Redaktion erhält darüber erst Notiz, wenn der Eintrag online ist.