Die Geschichte um "Transparency Deutschland" hat für mich ein paar Fragen aufgeworfen. Zum Beispiel die, was TI eigentlich macht, wie sie arbeiten und welche Erfolge TI zu vermelden hat. Es ist mittlerweile bekannt, dass TI von dem ehemaligen Weltbankdirektor Peter Eigen 1993 ins Leben gerufen wurde. Es gibt wenig Informationen über Eigen selber, außer einem etwas längerem Artikel in der "Zeit" (pdf) vom 04.11.2004. Darin wird Peter Eigen als ein "Idealist" beschrieben, der die weltweite Korruption am eigenen Leib erfahren hat. Nachdem die Weltbank selber nicht in der Lage schien, aktiv gegen Korruption vorzugehen, entschloss sich Eigen zur Gründung einer eigenen Institution, Transpareny International.

Dass ein diskreter Banker wie Peter Eigen keine Organisation gründet, die mit lauten Trommelschlägen auf sich und ihre Arbeit aufmerksam macht, ist da nur eine logische Konsequenz. Am liebsten ist es ihm wohl, wenn er TI aus der gesamten Berichterstattung heraus halten kann. Das Ziel lautet, die Korruption in den Firmen aufzudecken und die Firmen sensibler für das Thema zu machen. Dabei fährt Transparency eine mehrgleisige Strategie. Zum einen spricht man über die Regionalgruppen in den Firmen mit den Verantwortlichen selber. Zum anderen arbeitet man auf allen politischen Ebenen. Man macht Lobbyarbeit im Bundestag und im europäischen Parlament und nimmt direkt Einfluss auf Gesetzesinitiativen. Als Basis für viele dieser Initiativen dient der eigene Verhaltenskodex. Auch in der Presse ist man aktiv. Im Vorstand sitzt der ehemalige ARD Korrespondent Jochen Bäumel und zum Beirat von TI Deutschland gehört zum Beispiel auch der renommierte Journalist Hans Leyendecker. Schon nach einem kurzen Blick in die Vorstands- und Beiratslisten wird deutlich, mit welchen Mitteln und Methoden Transparency versucht, auf das Thema Korruption aufmerksam zu machen.

Dass das Thema Korruption auch in Deutschland nicht zu unterschätzen ist, weiß man allerspätestens seit dem Skandal bei VW. Wenn dort schon für interne Zwecke geheime Konten eingerichtet werden, um Angestellte mittels netten Reisen und Puffbesuchen gefügig zu machen bzw. aus denen sich Verantwortliche für ihre, nennen wir es mal Entspannungsreisen, bedienen können, liegt die Vermutung nahe, dass es solche Kassen auch für andere Zwecke geben könnte.

Zusammengefasst kann man also feststellen: Transparency hat sich auf die Fahnen geschrieben, gegen Korruption jedweder Ausrichtung zu kämpfen. Dies tun sie aber meist verdeckt, ohne groß auf sich aufmerksam machen zu wollen. Denn je lauter eine Organisation wie TI arbeitet, desto eher werden Firmen verschreckt. Es geht TI nicht um den medialen Erfolg, sondern darum, die Korruption nachhaltig einzudämmen. Dabei kann, nach Ansicht von TI, eine laute PR Arbeit eher hinderlich sein. In der Theorie läuft es also so: TI geht in die Firmen, wirbt um eine Mitgliedschaft der Firmen bei TI. Unterschreibt eine Firma, schließt sie sich auch dem Kodex von TI an. Gleichzeitig versucht TI mittels Lobbyarbeit bei den politischen Entscheidungsträgern, die Gesetze gegen Korruption zu verschärfen. So schließt sich der Kreis. Auf dem Papier also eine schöne und vor allem gute Idee, wie man Einfluss gewinnt, die mit Sicherheit sehr viel mit der Erfahrung von Peter Eigen zu tun hat, wie Firmen im Hintergrund arbeiten.

Doch völlig unkritisch wird die Arbeit von TI nicht gesehen. Das System von Peter Eigen birgt nämlich auch ein großes Risiko. Die Zusammenarbeit mit Firmen, die gleichzeitig auch unter Korruptionsverdacht stehen, sieht nach außen nicht gut aus. Im Jahr 2004 nahm TI-D zum Beispiel Geld der Firma Siemens, sowohl als Mitgliedsbeitrag, wie auch als Spende an. Gleichzeitig steht Siemens, bzw. zwei Mitarbeiter der Firma Siemens, stark unter Korruptionsverdacht. Zumindest ermittelt der hessische Generalstaatsanwalt, der ja nun auch nicht wegen jeder Kleinigkeit unterwegs ist. Ein weiteres Beispiel stammt aus dem Jahr 2001. Die Frankfurter Flughafengesellschaft „Fraport AG“, stand unter dem Verdacht im Auslandsgeschäft massiv Schmiergelder bezahlt zu haben. Gleichzeitig war man aber auch Mitglied bei TI. Auch wenn Gerüchten zufolge, Siemens mittlerweile seine Mitgliedschaft bei TI aufgegeben, hat: Hier taucht dann schnell der Verdacht auf, dass sich Firmen mittels einer Mitgliedschaft bei TI frei kaufen, denn an den Mechanismen der Schadensbegrenzung, nachdem ein Korruptionsfall aufgedeckt wurde, hat sich noch nie etwas geändert.

Das System TI offenbart so seine Schwächen und bietet gleichzeitig den Ansatzpunkt für seine Kritiker. Es scheint fast so, als ob gerade Firmen, die mit dem Thema Korruption ihre Probleme haben, sich mittels einer Mitgliedschaft bei TI eine Art Unbedenklichkeitserlärung besorgen. Wenn es zu einer Anklage gegen einen Arbeitnehmer der Firma kommt, kann man während einer Verhandlung immer darauf hinweisen, dass der Mitarbeiter ohne Wissen der Verantwortlichen gehandelt hat, da man selber ja Mitglied bei TI-D sei und sich mittels Spenden aktiv gegen die Korruption zur Wehr setzen würde. Nun hat TI die Möglichkeit, dass Firmen, die gegen den Kodex verstoßen haben, ihre Mitgliedschaft verlieren. Doch einen solchen Fall hat es im Hause TI-D wohl noch nicht gegeben. Man könnte TI aber zu Gute halten, dass der Rauswurf eines Mitgliedes nicht nur die eigenen Spendeneinnahmen reduzieren würde, sondern auch jede weitere Arbeit innerhalb der betroffenen Firma für lange Zeit unmöglich macht.

Man kann es aber auch von einer anderen Seite betrachten, wie der französische Journalist Christian de Brie. Der behauptet, in einer nicht unlogisch erscheinenden Gedankenkette, dass die Arbeit von TI darauf abzielt, Korruption nicht aufzudecken, sondern zu legitimieren. De Brie geht davon aus, dass die Firmen, die hinter TI stehen, und die zumeist weltweit aktiv sind, versuchen, eigene Absprachen zu treffen. Ein Beispiel: Eine Firma, die in Kenia aktiv ist, verliert bei der Ausschreibung eines Auftrages gegen einen Konkurrenten. Es liegt der Verdacht nahe, dass beide Firmen Schmiergelder gezahlt haben, die Firma, die den Auftrag bekommen hat, eben nur ein wenig mehr. Die unterlegene Firma ist Mitglied bei TI und weist TI daraufhin, dass es bei der Auftragsvergabe nicht mit rechten Dingen zu gegangen ist, worauf TI den Fall in ihrem Jahrbuch publik macht. De Brie schreibt dazu: "This is evidenced by the media success of the publication of an annual league table of bribe paying and taking countries drawn up by Transparency International, a lobbying association and CIA correspondent funded by governments and corporations, especially American ones, that are experts in the matter. These include Lockheed, Boeing, IBM, General Motors, Exxon, General Electric and Texaco (13). The only objective of the anti-corruption campaigns taken up by international organisations (World Bank, IMF, OECD) is the "good governance" of a financial crime that is now an integral part of market globalisation under the leadership of the American democracy, the most corrupt on the planet." Das Jahrbuch soll also ein Instrument sein, um Konkurrenz aus dem Weg zu räumen.

De Brie untermauert diese Vorgehensweise in einem Artikel über die WTO folgendermaßen: "So ist etwa kein internationales Abkommen gegen die Praktiken vorgesehen, die im Dschungel der Geschäftswelt üblich sind: geheime Absprachen und Kartelle, Dumping und manipulierte Transferpreise, Spekulation und Missbrauch von Insider-Wissen, Finanzkriminalität, Steuerflucht und Geldwäscherei, Wirtschaftsspionage und Raubkopien, Überwachung und Ausbeutung der Arbeitnehmer, Unterdrückung gewerkschaftlicher Aktivitäten, private Aneignung und Ausplünderung der kollektiven Ressourcen und Gemeingüter, verbreitete Korruption in Staat und Wirtschaft [...]

Nach de Brie ist also der Sinn und Zweck von TI nur darin zu sehen, dass die Institution oberflächlich den Anschein erweckt, gegen Korruption zu kämpfen, zumindest gegen jene, die nicht aus den eigenen Reihen kommt. Hinter dieser Fassade ist man bemüht, den Mitgliedern einen erweiterten Marktzugang zu verschaffen. Gestützt wird dies durch die Politik, die im guten Glauben, dass TI sich gegen Korruption einsetzt, den Mitgliedsfirmen von TI einen verbesserten Zugang zum eigenen Binnenmarkt verschafft bzw. Subventionen eher an Firmen mit einem TI Siegel verteilt, als an andere. Dass man im Hause Transparency International es nicht gerne sieht, wenn sich Mitarbeiter allzu laut gegen die Politik - zum Beispiel der USA - wenden, kann man in dem oben verlinkten Artikel der Zeit nachlesen. Dort steht: "Als Vorsitzender pocht Eigen darauf, dass er die "die politische Leitung in der Hand" behält. So stoppte er die Absicht seiner Belegschaft, vor dem Einmarsch der Amerikaner in den Irak eine Resolution gegen die Amerikaner zu veröffentlichen." Auch hier lässt ein Blick auf die Spendenliste den Verdacht aufkommen, dass man sich lieber ruhig verhält, will man weiter Spenden mancher US Firmen bekommen.

Das klingt alles ein bisschen nach gemeiner Verschwörungstheorie, aber auf Grund der stillen Arbeitsweise werden solche Theorien geradezu heraus gefordert. Es hängt einfach davon ab, von welcher Seite man die Arbeit von TI betrachten will. Man kann sie als höchst effektive Institution betrachten, die erfolgreich gegen Korruption kämpft, in dem sie die Mittel und Wege der Korruption betreibenden Industrie kopiert und selbst anwendet. Oder man kann sie als Wurmfortsatz einiger Global Player ansehen, die sich mittels TI gleichzeitig eine weiße Weste und einen Vorteil gegenüber anderen Firmen verschaffen wollen, die nicht Mitglied bei TI sind, aber in Konkurrenz stehen. Es gibt für die Sichtweise keine handfesten Beweise und was er schreibt sind meist nur Spekulationen, allerdings ist es schon auffallend, dass sich bei TI meist die angesprochenen Global Player auf der Spendenliste finden. Desweiteren ist erstaunlich, mit welchen, teilweise oberflächlich recherchierten Pressemitteilungen TI arbeitet. Glaubt man de Brie, so sind solche Aktionen nur ein Hinweis darauf, dass man seitens TI für eine Marktbereinigung sorgt. Man könnte aber auch einfach sagen, dass sich TI-D einfach einen Bereich nach dem anderen vorknöpft, da man ja nun nicht überall gleichzeitig aktiv werden kann, zumal die Korruption keinen Wirtschaftszweig verschont.

Fazit: Im Grunde scheint die Arbeit von TI gut und richtig zu sein. Ich bin kein Anhänger von Verschwörungstheorien und ich glaube auch tatsächlich, dass es Menschen wie Peter Eigen gibt, die gesehen haben, wie die Korruption vor allen in den ärmeren Ländern die Armut noch weiter verschlimmert. Es gehört ja nun auch nicht zu den unbekannten Dingen, dass Entwicklungshilfe- und Spendengelder gerne mal auf Schweizer Bankkonten landen, anstatt für den Bau einer neuen Schule verwendet zu werden. Auf der anderen Seite hat TI tatsächlich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wenn man Geld von Firmen annimmt, die unter dem Verdacht standen sich mittels Korruption einen Vorteil verschafft zu haben, dann vermittelt dies nicht eben jene Glaubwürdigkeit, die man gerne hätte. Zumindest Transparency Deutschland täte gut daran, sich, schlechter Wortwitz, transparenter zu zeigen, will man den Verdacht nicht weiter anheizen, am Ende nur ein Instrument der Industrie zu sein, die sich die Westen selber weiß waschen will. Die Kritik auch von Seiten anderer NGOs die sich mit Korruption beschäftigen, der sich Transparency ausgeliefert sieht, kommt nicht von ungefähr und wenn man sieht, dass andere Organisationen, die keine Gelder von Firmen annehmen, ebenso erfolgreich arbeiten wie Transparency, fragt man sich, warum TI so arbeitet. Es bleibt einem leider nichts anderes übrig, als zu sagen, dass das Strategie Konzept von TI viel Raum für Spekulationen lässt. Solange allerdings nichts bewiesen ist, gibt es keinen Grund anzunehmen, das TI auf der Seite der ganz Bösen steht.

Interview mit Dagmar Schröder, Geschäftsführerin der Transparency Deutschland

Don Dahlmann: Wie und in welcher Art und Weise arbeitet TI-D mit den Spendern und Mitgliedern zusammen um evtl. Korruptionsfälle zu vereiteln?

Dagmar Schröder: Mitglieder können sich bei Transparency Deutschland auf ehrenamtlicher Basis auf sehr vielfältige Weise engagieren. Viele Mitglieder arbeiten in Arbeits- oder Regionalgruppen mit, die sich mit der Bearbeitung bestimmter Themen befassen. So gibt es z.B. eine Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen oder zur Bekämpfung von Korruption in der Politik. Mitglieder arbeiten auch daran, Instrumente zur Korruptionsprävention zu entwickeln. So wird zum Beispiel der von TI entwickelte "Integritätspakt" mittlerweile beim Bau des Berliner Großflughafens angewendet. Der Pakt soll dazu beitragen, Korruption beim Bau des Flughafens zu verhindern oder zumindest zu reduzieren. Einzelfälle werden von unseren Mitgliedern und auch von TI generell nicht behandelt, da wir dazu keinerlei Ressourcen haben. Es gehört zu unseren weltweit geltenden Prinzipien, dass wir keine Einzelfälle recherchieren oder verfolgen. In vielen Ländern, in denen wir tätig sind, wäre eine solche Vorgehensweise schlicht lebensgefährlich.

Wie und in welcher Art und Weise arbeitet TI-D mit der Politik zusammen? Die Politik ist so wie auch die Verwaltung oder die Wirtschaft ein Bereich, in dem Korruption vorkommt. So wie in anderen betroffenen Bereichen von Korruption suchen wir auch in der Politik Verbündete, die für Korruptionsprävention aktiv eintreten und versuchen mit diesen Koalitionen zu schmieden.

Was geschieht mit den erwirtschafteten Überschüssen des Vereins? Überschüsse, die im Laufe der 12 Jahre seit der Gründung von Transparency Deutschland entstanden sind, werden wie im Vereinsrecht üblich in Betriebsmittelrücklagen oder freie Rücklagen eingestellt. Viele unserer Einnahmequellen sind sehr unsicher, so dass wir Rücklagen für den Fall benötigen, dass Einnahmequellen wegbrechen. Mit einem Jahresbudget von unter 200.000 Euro sind unsere finanziellen Ressourcen sehr begrenzt. Ohne die Mithilfe der Ehrenamtlichen könnten wir die Arbeit nicht schaffen.

Welche Werkzeuge stehen Ihnen zur Verfügung, sollte eines ihrer Mitglieder bei Korruptionsfällen ertappt werden? Unsere Mitglieder verpflichten sich, unsere Satzung und unseren Verhaltenskodex einzuhalten, der sowohl für Mitglieder als auch für Mitarbeiter gilt. Falls ein Mitglied in einen Korruptionsfall verwickelt sein sollte, würde das gegen unsere Grundprinzipien verstoßen. Die Mitgliederversammlung kann in einem solchen Fall über den Ausschluss des Mitglieds beschließen.

Welche Korruptionsfälle sind durch die Arbeit von TI-D entdeckt worden? Wie in der ersten Antwort schon dargestellt, deckt Transparency International grundsätzlich keine Einzelfälle auf. Dazu fehlen uns die Ressourcen. Wir versuchen jedoch, darauf hinzuwirken, dass sich die Rahmenbedingungen der Institutionen verbessern, die für die Aufklärung und Recherche von Korruptionsfällen zuständig sind (z.B. Staatsanwaltschaften oder Medien).

Wie tief bzw. weitgehend vermuten Sie die Korruption in Deutschland? Dass Korruption überhaupt in Deutschland existiert, wurde lange Zeit versucht zu verschweigen. Transparency Deutschland hat durch seine Öffentlichkeitsarbeit dazu beigetragen, dass das Thema Korruption nun auch in Deutschland offen diskutiert wird. Wir vermuten, dass vor allem auf kommunaler Ebene Korruption immer noch stark verbreitet ist, da die Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft stärker und persönlicher sind als auf Landes- oder Bundesebene. Auf dem Korruptionsindex, der von TI jährlich herausgegeben wird, hat sich Deutschland 2005 im Vergleich zum Vorjahr nicht verbessern können. Es wird deutlich, dass auch in Deutschland noch einige Anstrengungen nötig sind, um Korruption glaubhaft und nachhaltig einzudämmen.

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