Donnerstag, 19. Oktober 2006

Es gibt ja so ein paar Dinge, die ich nicht verstehe. Also es gibt sehr viele eigentlich. Aber manche Dinge die nicht verstehe, sind mir egal. Sie sollen funktionieren. Fernsehen, zum Beispiel. Oder das Telefon. Manche Dinge verstehe ich nicht, aber ärgere ich mich darüber. Warum Telefongesellschaften so komplizierte Verträge haben müssen, anstatt sie einfach sagen: "Kostet 99 Euro, fertig." Bei Mobilfunkverträgen ist das ja noch schlimmer. Kann einer der hier Lesenden auswendig aufsagen, was sie/er an welchen Wochentagen bei Telefonaten mit der Telefongesellschaft X für ein Gespräch ausgibt?

Und manche Sachen verstehe ich nicht, weil ich vermute, dass die dunkle Seite der Macht nicht möchte, dass ich sie nicht verstehe. Zum Beispiel, warum eine Regierung plötzlich nicht mehr möchte, dass ich bei einer Wahl mein Kreuz mit einem Kuli, sondern in Zukunft an einer Wahlmaschine elektronisch machen soll. Zum einen verstehe ich den grundsätzlichen Ansatz nicht. Sicher, das Ergebnis wäre schneller da, weil man nur noch ein paar Daten rüberjagt, aber schon jetzt gibt es nach jeder Wahl innerhalb von 30 Minuten eine verlässliche Hochrechnung. Ich finde, das reicht.

Zum anderen haben Wahlmaschinen schon etwas im Wort, das mir Angst macht. Die Wahl bestimmt nicht mehr der Bürger, sondern die Maschine. Nicht weiter verwunderlich, dass die Amis die ersten waren, die mit den Dingern rumexpermimentiert haben. Man kann, mit einem Blick auf das komplizierte Wahlrecht und die unterschiedlichen Zeitzonen, ein gewissen Nutzen in einer schnelleren Auswertung erkennen. Auf der anderen Seite hat man schon sehr früh, nämlich bei der Wahl von 2004 vermutet, dass die eingesetzten Wahlcomputer durchaus manipulierbarseien. Und kaum zwei Jahre später hat man dann auch schon den Beweis. Es ist kinderleicht einen Virus ins System des Wahlcomputers einzuschleusen, der einem zwar nach der Wahl per Papierbeleg sagt, man habe Person X gewählt, die Stimme aber Person Y zuschreibt.

In Deutschland haben die ersten Wahlbezirke auch schon Wahlcomputer eingekauft. Und prompt sich den Ärger einiger Bürger eingehandelt, die in Rheinland Pfalz gegen den Einsatz der Wahlcomputer Einspruch eingelegt haben. Man sehe die Gefahr einer Manipulation, hieß es im Einspruch, denn die Landsregierung wie folgt abbügelte.

Allgemeine Befürchtungen reichten für eine erfolgreiche Wahlbeanstandung nicht aus. Der Antragsteller habe keine konkreten Tatsachen nennen können, die auf Manipulationen oder Verletzungen des Grundsatzes der geheimen Wahl schließen ließen. Das Innenministerium habe die Wahlgeräte erst nach eingehender Prüfung, die unter Beteiligung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und des Landeswahlleiters erfolgt sei, freigegeben.

Aha. Es ist also so, dass die Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) versichert, dass alles ok sei. Klingt gut, aber beruhigt mich nicht.

Frage also, wer spielt eigentlich die Software in die Dinger ein und überprüft, dass alles seine Ordnung hat?

Antwort:

Die PTB orientiere sich bei der Prüfung "strikt an der Bundeswahlgeräteverordnung". Und wo diese keine Festlegungen träfe, werde "bei der Prüfung der Wahlgeräte ein Maßstab angelegt, mit dem mindestens ein vergleichbares Sicherheitsniveau gewährleistet wird wie bei der konventionellen Wahl". Aus der Stellungnahme geht allerdings nicht hervor, dass diese Aussage jemals quantifiziert wurde.

Das ist dann der Punkt, an dem eigentlich gerne lachen würde, so absurd ist die Sache. Aber, es kommt noch viel, viel besser. Es geht hier, nur zur Erinnerung, um so ziemlich das Wichtigste, was man in einer Demokratie hat. Es geht darum, dass der Bürger, abseits aller Beeinflußungen alleine und eigentverantwortlich eine Wahl trifft, wer seine Interessen in den Exekutivorganen vertritt. Deswegen hat er auch ein Recht zu erfahren, ob die Technik, mit der er jetzt wählen soll, auch sicher ist. Aber

Die Prüfunterlagen der PTB sind nicht öffentlich.

Und warum? Weil die niederländische (!) Herstellerfirma dass so sagt.

"Der Schutz der Betriebsgeheimnisse der Firma Nedap" müsse "auch insbesondere deshalb vorgehen, weil die Geheimhaltung der Betriebsgeheimnisse zusammen mit anderen Faktoren zur Sicherheit des Wahlgerätes und damit der Wahl beiträgt".

Mit anderen Worten - die Betreibsgeheimnisse einer Firma gehen vor jedes demokratische Recht und es besteht keine Möglichkeit zu Überprüfen, ob eine Wahl manipuliert wurde, oder nicht.

Ok - dass kann man alles unter Paranoia ablegen. So doof sind die doch wohl nicht, dass nicht Schutzmaßnahmen haben, die das Gerät vor einer Manipuilation schützen. Haben die Behörden auch und fahren ein schweres HighTech Geschütz auf.

Durch eine nach §2 Abs. 6 der Bundeswahlgeräteverordnung vorgeschriebene, auf der Rückseite des Geräts aufgeklebte Baugleicheitserklärung versichert der Hersteller, dass das Gerät baugleich zu dem angegebenen zugelassenen Baumuster ist.

Ein Aufkleber?

Und wie prüft man eigentlich, dass die Software im Wahlcomputer, genau die ist, die die PTB vorgeschrieben hat und welche völlig manipulationssicher sein soll?

Der Hersteller versichert verbindlich, dass das Softwareprogramm aus genau dem Quellcode hervorgegangen ist, der zur Prüfung vorgelegt wird.

Hinter dem Papieraufkleber ist also eine Software, die nicht geprüft werden kann, weil der niederländische Hersteller das nicht will, aber gleichzeitig versichert, dass alles ok sei? Das klingt für mich ungefähr so, als würde der Hütchenspieler mit dem ich gerade um 10.000 Euro spiele. mir versichern, die Kugel sei genau unter dem Glas, auf das ich mein Geld legen soll.

Diese, und das vorherige Zitat stammen aus der sehr erhellenden Antwort von Andreas Bogk auf die Entgegnung des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage von Ulrich Wiesner. Die Anfrage und seine Stellungnahme ist dort zu lesen. Die Antwort des BMI hab ich leider nicht online gefunden. Die dürfte sich allerdings auch von selbst erledigt haben, denn mittlerweile hat sogar Der deutsche Distributor der Nedap-Wahlcomputer zugegeben, dass die Dinger niemals sicher vor Manipulationen sein können:

"Manipulationsversuche können bei technischen Geräten nie ausgeschlossen werden, isoliert betrachtet mögen sie sogar Erfolg haben", so Schulze Geiping."

Weiter sagt er in einer Stellungsnahnme gegenüber dem CCC:

"Eine Manipulation der Geräte, gleich an welcher Stelle im Prozess, ist gesetzeswidrig und wird strafrechtlich verfolgt!"

Da werden aber einige Menschen ganz schön Angst bekommen.

Also ist alles toll und angeblich sollen die Wahlcomputer auch eine Wahl billiger machen. Auch das wird gerade schön auseinandergenommen Mit dem Ergebnis: eine Papierwahl ist immer noch günstiger, als eine per Wahlcomputer.

Und mal ehrlich, was ist das denn für ein Argument? Wenn die Bundesregierung für Milliarden von Euro bei EADS einsteigen kann, oder für sonstigen Unsinn Geld ausgibt, sollten doch ein paar Millionen für eine anständige, saubere Wahl übrig sein. Die grundsätziche Frage, wie man sich in Zukunft gegen den Einsatz von Wahlcomputern wehren kann, bleibt aber weiter ungelöst. Das wird wohl nur auf dem Rechtsweg gehen, in dem Wahlanfechtungen auf den Weg bringt. Eine weitere Alternative: Druck beim Abgeordnenten machen.

Nachtrag: Hier kann man eine Petition zum Verbot von Wahlmaschinen unterzeichnen. Warum die Petitionen für den Deutschen Bundestag auf einer schottischen Uniseite gehostet werden, würde ich auch gerne mal erklärt bekommen.

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