Dienstag, 6. Juni 2006

Kleine Zwischenbilanz

Autofahren in der Stadt ist ja eher was für Vollmasochisten. Wobei es in Berlin sogar noch geht. Dank der relativ großzügig angelegten Straßen, kommt man selbst zur Rush Hour einigermaßen vorwärts, so lange man neuralgische Punkte wie den Potsdamer Platz vermeidet, oder die Stadtverwaltung nicht gerade mal wieder auf die grandiose Idee gekommen ist, die "Straße des 17. Juni" zwischen dem "Großen Stern" und dem "Brandenburger Tor" zu verminen zu sperren, damit ein paar Fußballirre sich dort einen Monat lang besaufen können. Ich hab mir trotzdem im letzten Februar ein Auto zugelegt. Die Bedingung war: klein, sparsam, und es darf im Monat nicht mehr als 100 Euro an Unterhalt (Steuer, Versicherung, Sprit) kosten. Dies alles fand ich in einem Daihatsu Cuore, der so winzig ist, dass ich gerade aml so eben reinpaße. Gründe für die Anschaffung waren meine neu entdeckte Fotoleidenschaft, der Umstand, dass die BVG eben doch nicht überall hinfährt und es wenig Spaß macht mit einem Stativ, zwei Kameras, mehreren Objektiven und anderem Fotokrempel kilometerweit durch die Walachei zu marschieren. Da ist ein Auto schon praktischer. Allerdings steht der Wagen meist nur rum, wie ich an meinen Tankquittungen sehe. Gekauft und neu betankt habe ich den rund 10 Jahre alten Cuore Ende Februar. Das erste Mal neu betankt hab ich ihn letzte Woche.

Mit dem Opel hab ich jetzt zwei Autos, was in so fern doppelter Masochismus ist, da ich nun in meiner, an Parkplätzen sehr armen Ecke, gleich zwei davon brauche. Auch muss ich jetzt immer überlegen, welchen Wagen ich nehme, wenn ich Katzenfutter einkaufen muss. Das ist für einen Menschen, dessen Entscheidungsprozesse oft auf den verschlungenen Wegen des Abwägens, Verwerfens, Wiederaufnehmen und auf Halde schieben begeleitet werden, nicht so ganz leicht, weswegen ich froh bin, wenn ein Wagen vor Tür, und der andere weiter weg steht. Dabei hat der Opel dem Cuore etwas ziemlich wichtiges voraus. Während man im Daihatsu das Gefühl hat, von Reispapier dünnen Blech umgeben zu sein, fühlt man sich im Astra wie in einem Panzer. Man sitzt erstaunlich tief, die Türen gehen bis zu den Schultern und nicht, wie beim Japaner, bis zu den Nieren und außerdem hat er ABS und all den anderen Schnickschnack. Verlieren tut der Opel allerdings bei der Parkplatzsuche. Ich brauche schon einen richtigen, echten, großen Parkplatz, während der Cuore auch gerne mal quer eingeparkt werden kann. Dafür macht der Opel im Stau mehr Spaß. Man kann sinnlose Zieleingaben im Navi machen, mit dem Bordcomputer spielen oder mit sich selbst Wetten abschließen, welches elektrische Fenster schneller unten ist, drückt man beide Knöpfe gleichzeitig. Schneller voran kommt man deswegen aber auch nicht. Wegen der Parkplatzsuche ist der Cuore bei mir am Ende aber (eigentlich) die erste Wahl in der Stadt.

Wenn da nicht das Fahren auf längeren Strecken wäre. Der Astra läuft ganz flott, ist bequem und man hat bei 130 km/h nicht das Gefühl, man würde gleich wichtige Teile der Karosserie, eventuell auch sich selbst großflächig auf der Autobahn verteilen. Ganz ehrlich: da ist der Astra wirklich stark. Wenn mir einer sagen würde: fahr damit nach Madrid oder Rom, ich hätte kein Problem damit, weil ich wüßte, dass mich der Wagen einigermaßen erholt an mein Ziel bringen würde. Ich hab keine Ahnung, wie das bei Opel früher war, aber ich bin schon ein paar Autos gefahren. Ich fühl mich im Astra auf der Autobahn auch nicht schlechter, als im 5er BMW meines Vaters, dem Golf meiner Mutter oder dem relativ neuen Peugeot Cabrio des wunderschönen Mädchens. Wenn die mal ein Problem mit der Verarbeitung haben, dann haben sie es wohl abstellen können. Zumindest für die knapp 3000km, die ich mit dem Ding unterwegs bin.

Zum Design des Wagens fällt mir auch nach knapp drei Wochen nicht so viel ein. Gut, er ist nicht so hässlich wie die Tochter des Metzgers, die mich mal knutschen wollte, als ich 14 oder so war. Aber unter einer klassischen Schönheit verstehe ich dann auch was anderes. Ich versteh auch nicht, warum das bei keiner Autofirma heute noch geht. Schönes Design und Sicherheit. Gestern sah ich irgendwo im TV einen Bericht über den neuen VW Eos, und der sieht ja wohl aus, wie eine lieblos zusammen gehämmerte Seifenkiste. Dagegen wirkt der Astra ja fast mutig. Zumindest von vorne. Aber viel lieber hätte man doch was zum anschauen, was erotischer, fordernder und auffälliger wäre, als das, was man geboten bekommt. Ein alter Alfa oder Triumph mit all den Sicherheitsdingens von heute wäre was Schönes.

Warum hier was über einen Opel steht

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Die seit heute für alle online geschaltete "Reader Edition" der Netzeitung versucht einen neuen Ansatz im "Bürger Journalismus" zu finden, in dem sie die Leser ihre eigene Zeitung herstellen lässt. Jeder der will, kann sich auf der Seite registrieren und sofort damit anfangen, Inhalte zu erstellen. Allerdings werden diese nicht sofort frei geschaltet, sondern laufen erst durch eine Moderatorenschleife. Dort wird geprüft, ob der Inhalt rechtlich ok ist, ob sich nicht zufällig eine PR Agentur eingeschlichen hat oder ob er noch mal kurz in ein Lektorat muss.

So ganz neu ist das Prinzip nicht. Es gibt in Korea die international erfolgreich arbeitende Community Ohmynews und in Deutschland gibt es seit einiger Zeit die eher weniger erfolgreichen News-Sammelstellen Yigg und die vom "Stern" mit gesponsorte Seite Shortnews. Beide Seiten verstehen sich aber eher als Linkschleuder zu anderen Seiten, denn als Hersteller eigenen Contents. Und genau das will die "Readers Edition" leisten.

Bezahlt wird natürlich nichts. Weder den Autoren, die den Content anliefern, noch den Moderatoren. Der Chefredakteur der "Netzeitung", Michael Meier, meinte dazu heute beim offiziellen Start der Seite gegenüber der Presse, dass man zunächst kein Bezahlmodell geplant habe. Sollte sich die "Readers Edition" allerdings bewähren und sich Sponsoren finden lassen, würde man darüber neu nachdenken müssen. Weiterhin gelte aber, dass interessante Artikel, die den Weg von der Edition in die Netzeitung schaffen, dann auch bezahlt werden. Naja.

Aber offensichtlich will man auch einen Versuchsballon starten, um zu sehen, in weit die Definitionen des herrschenden Journalismus überhaupt noch gültig sind. Chefredakteur Maier schreibt in einem an Presse gereichtem Editorial zum Start der Seite:

Der Journalismus befindet sich mit zwei unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert: Es gibt die professionellen Enthüller, und es gibt Volkes Stimme(n), in Form von Blogs, Foren, Websites, Communities.

Die Foltergefängnisse der Amerikaner in Abu Ghraib wurden von Bloggern entdeckt, die französischen Sozialreformen von Bloggern und Internet-Gemeinden zu Fall gebracht. Es wird mehr in die Tiefe recherchiert und mehr aus der Breite erzählt. Da ist Dynamik, da ist extrem viel Veränderung.

Natürlich macht die "Netzeitung" das alles nicht zum schönen Selbstzweck. Man sucht offenbar neue Wege, an Content ran zu kommen, und eine bessere Leitung in die Blogszene, damit man Stories nicht mehr verpennt. Man bedient sich quasi aus dem Infopool der Blogs, verlinkt aber brav. Immerhin etwas, was andere etablierte Seiten bis heute nicht so richtig hinbekommen. Die Gefahr, dass die "Netzeitung" die kleine Edition als billige Content Schleuder missbraucht und den eh schon an seine finanziellen Grenzen ächzenden freien Journalismus noch mehr unter Druck setzt, ist allerdings durchaus gegeben.

Die Blogger, die auf ihren eigenen Seiten schon journalistisch arbeiten berührt das herzlich wenig. A-List Blogger sind zwar eingeladen mitzumachen, aber man erwartet nicht, dass von deren Seite etwas kommt. Eher setzt man auf die Blogs, die gerne mehr Leser hätten, aber nicht wissen, wie sie das bewerkstelligen sollen und die "Readers Edition" als Werbeplattform nutzen. Auf lange Sicht erwartet man wahrscheinlich eine funktionierende Community, die man vielleicht in Zukunft damit reizt, in dem man einmal pro Woche einen Artikel von der Edition auf die Hauptseite hievt.

Auf der anderen Seite könnte die "Readers Edition" auch für etablierte Blogger interessant sein. Sind sie auf ein interessantes Thema gestoßen, können sie den Artikel zusätzlich auch dort veröffentlichen. Das könnte, voraus gesetzt, die Edition hat vernünftige Zugriffszahlen, dazu führen, dass bestimmte Themen nicht mehr nur in der relativ kleinen Blogsphäre verbleiben, sondern schneller einen Weg an eine breite Öffentlichkeit finden. Interessant ist das Projekt also allemal, auch wenn es schöner wäre, würden die Autoren und Moderatoren ein paar Euro für ihre Mühen erhalten.

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